Eine selbstorganisierte Radtour mit Zugan- und abreise, übernachtet wurde in einem Hotel in Celle ("Schifferkrug") und in Rethem ("Helms' Hotel")
Teilnehmer: Susanne, Hans-Günter, Michaela und Otto, Angelika und Claus
Vorbereitung:
Wieder waren Schmittis im Spiel: sie hatten ein Schiff erworben, das auf der Aller
zu Hause war. Um zu einem Kran zu gelangen, befuhren sie die Aller ein Stück
flussabwärts – und schilderten uns anschließend die Schönheit der Heidelandschaft.
Außerdem hatte es einen früheren Klassenkameraden von mir in die Nähe der Aller
verschlagen, so drängte sich dieses Ziel förmlich auf.
Die Radroute von Hannover bis Celle wurde ausgearbeitet anhand des Aldi-Kartensets "19 regionale
Radtouren-Karten 1:100000", für den Aller-Radweg besorgte mir die Buchhandlung Linnemann
die wasserdichte Leporello-Karte desselben. Obwohl neu erworben, waren nicht alle
vorhandenen Radwege auf dieser Karte verzeichnet.
Die Zimmerbestellung verlief ohne Probleme, da in Niedersachsen kein langes Wochenende
mit Brückentag anlag. Helms' Hotel war allerdings später ausgebucht, was wir vor Ort bei
verschiedenen Nachfragen mitbekamen. Bei der Bestellung im Februar wurden die
vielversprechendsten Häuser ausgesucht und problemlos reserviert.
Do. 11.6.09 (48 km)
Angelika hatte eine frühe Abfahrtszeit (8:14 Uhr) bestimmt und alle waren pünktlich da
– auch der Zug. Die Wetteraussichten für heute waren allerdings alles andere
als vielversprechend: es musste mit Dauerregen gerechnet werden. Nach einer weitgehend
angenehmen S-Bahn-Fahrt (ohne Umsteigen) verließen wir den Zug in Langenhagen-Pferdemarkt,
der Dauerregen war aber nur ein leichtes Tröpfeln und ging im Laufe des Tages in
einzelne Schauer über.
Aus Langenhagen heraus mussten wir erst ein Stück an der Straße entlang, bevor
es vorbei an Seen in die Natur ging. Die Aldi-Karte war hier leider nicht sehr
genau, doch der einzige Umweg, den wir machten, an dem war ich selbst schuld
(hinter der Hohenhorster Bauernschaft nahmen wir zunächst die falsche Seite der
Bahn). Ansonsten war der Radweg wunderbar und erst in Fuhrberg kamen wir wieder
in Kontakt mit der Zivilisation. Erwähnenswert noch die Autobahnüberquerung über
eine moderne hohe Radler-/Fußgängerbrücke.
In Fuhrberg warteten wir bei einer Rast einen Schauer ab, bevor wir den Ort bei
einer Försterei auf einem schönen geteerten Feldweg Richtung Celle verließen.
Mitten im Wald hörte das Geteerte allerdings auf, ging zunächst als Schotterweg
weiter, um dann als offensichtlich selten befahrener Graspfad weiter zu gehen.
Wir beschlossen, beim nächsten Querweg zur parallel verlaufenden Straße zu
wechseln, doch lange Zeit kam keine Möglichkeit. Endlich sahen wir von weitem
ein Auto auf unserem Grasweg stehen und glaubten gerettet zu sein. Merkwürdigerweise
war eine hintere Tür dieses Audi A6 Kombis offen und außerdem versperrte der
Wagen den kompletten schmalen Weg, so dass ich empört klingelte. Hastig wurde
auf der hinteren Ladefläche eine Decke über zwei Körper geworfen – jetzt
wurde uns klar, was hier ablief. Und der Name des Modell A6 bekam eine völlig neue
Bedeutung.
Hinter dem A6 interruptus konnte man tatsächlich zur Straße wechseln, doch nach
zwei Kilometern konnten wir auf einen weiteren wunderbaren Radweg nach Wietzenbruch
einbiegen, und erst ab hier ging es auf einem Radweg an der Straße entlang nach
Celle hinein. Mit ein wenig Fragen wurde unsere Unterkunft schnell gefunden und
die Räder konnten eingeschlossen und die Zimmer bezogen werden.
Rechtzeitig zur letzten Führung (15:00 Uhr) brachen wir zum Schloss auf, dass
nur wenige Gehminuten vom "Schifferkrug" entfernt liegt. Die interessante
Führung klärte uns u. a. darüber auf, wie Hannover (und nicht Celle) zu der Ehre als
Landeshauptstadt kam, und dass unser sog. "Pinkel- und Prügelprinz" (Ernst August) immer
noch ein Anrecht auf den englischen Thron besitzt. Ans Herz ging die Sex and Crime
Story der Prinzessin Sophie Dorothea, die auf Willen ihres Vaters ihren Vetter
heiraten musste, aber später ein anderes Verhältnis einging, was Frauen natürlich
nicht gestattet war. So wurde der Liebhaber umgebracht und sie für den Rest ihres
Lebens (noch mehr als die Hälfte) auf Schloss Ahlden verbannt, sie durfte nur
noch in geschlossener Kutsche aus dem Schloss. Das Schloss sei auch sehr ärmlich
(wir sahen es später noch).
Beeindruckend war im Celler Schloss auch das immer noch genutzte
Schloss-Theater sowie die Schlosskapelle mit vollständig erhaltener Renaissance-Ausstattung.
Danach begann ein Rundgang durch die sehr sehenswerte Celler Altstadt, selbst Kaufhäuser sind hier in Fachwerk, und es gibt auch wunderbare alte Geschäfte. Otto und Michaela besuchten jetzt Freunde, während die anderen zunächst den "Französischen Garten" besichtigten und dann weitere Altstadtgassen durchquerten. Nun wurde es auch Zeit, Ottos 95jährige Tante möglichst nicht warten zu lassen und somit zum Schifferkrug zurück zu kehren.
Als wir ankamen, war sie tatsächlich schon da, aber Otto und Michaela waren auch schon zurück. Den Rest des Abends gestaltete die 95jährige mit Erzählungen und Kommentaren aus dem ersten und zweiten Weltkrieg, aber auch zu aktuellen Ereignissen. Ich habe noch nie eine geistig und körperlich so fitte Rentnerin gesehen, und sie ist Rentnerin bereits seit 35 Jahren. Von ihren frechen Sprüchen zu diesem und jenem Thema ganz zu schweigen. Hans-Günter war z. B. ab jetzt (wg. vermeintlicher Ähnlichkeit) Oberbürgermeister Mende und ich selbst, weil ich wusste, in welchen Fluss die Leine mündet (schließlich bin ich an der Leine groß geworden), wurde als Oberlehrer tituliert.
Obwohl sie uns nur ein Bier ausgeben wollte, blieb sie zum Essen und danach den ganzen Abend bei uns, es schien auch ihr zu gefallen. Zu essen gab es übrigens die Spezialität des Hauses: Elchbraten (in beliebig großen Portionen). Erst nach 23 Uhr stieg sie in ein Taxi und wir fielen todmüde und zufrieden ins Bett.
Fr. 12.6.09 (68 km)
Ein ausgezeichnetes Frühstück erwartete uns im bestens aufgeräumten Restaurant,
erst nach mehr als einer Stunde konnten wir uns losreißen. Das Wetter war
wechselnd bewölkt, nicht sonderlich warm und dazu sehr windig. Zum Glück kam
er genau von vorn, so dass wir nicht andauernd seitlich umgeworfen wurden. Die
Wirtin verabschiedete uns sehr freundlich und wir fanden auch gut aus Celle
heraus.
Kurz hinter dem Ortsausgang ging es in den Wald und wir verließen die B214. Wald
ist an Tagen wie heute die beste Windbremse. Hambühren wurde kurz gestreift, ebenso
Oldau und Südwinsen. Immer wieder trafen wir eine Vierergruppe von Männern auf
Rädern, die in der gleichen Richtung unterwegs waren. Ab Hornbostel fuhren wir extra
einen größeren Bogen, um ihnen einen kleinen Vorsprung zu geben. Zudem hielt uns an
dieser Stelle ein frisch umgestürzter Baum auf.
Eine Gelegenheit
zum Einkehren suchten wir zunächst vergebens, auch die Aller machte sich rar:
nur selten waren wir ganz nah dran und schon aus geringer Entfernung sieht man sie nicht
mehr, weil sie immer etwas tiefer als das breite Urstromtal fließt. Der Radweg
war allerdings immer einwandfrei, abseits von Hauptstraßen und sehr gut beschildert
(hatten wir in Niedersachsen eigentlich nicht erwartet).
In Marklendorf ging es sogar auf die von der Aller entfernten Seite der B214,
an die wir uns bei erhöhtem Einsatz bei starkem Gegenwind auf freier Ebene hinter
Buchholz wieder herankämpfen mussten. Kurz vor der Straße war ein künstlich
angelegter Badesee, der uns zum Verschnaufen und Sonnen einlud.
Wie sich später herausstellte gerade noch rechtzeitig brachen wir wieder auf,
denn von Westen näherte sich eine pechschwarze Wolke. Bei den ersten Häusern von
Schwarmstedt erreichten wir gerade noch einen offenen Carport, als es losschüttete
und -hagelte. Doch genauso schnell, wie er gekommen war, war der Spuk auch wieder
vorbei. Nun suchten wir (vergeblich) ein nettes Cafe, gingen schließlich ins
Leinehotel (das gerade schloss), bekamen hier aber den richtigen Tipp: ein
"Antiquitäten-Cafe" am Ortsende kurz vor der Leinebrücke. Unsere vier Männerradler,
die gerade im Hotel zu Mittag gegessen hatten, folgten kurz nach uns ebenfalls
hierher.
Der Kuchen (Landfrauen) war köstlich, die Wirtin war etwas streng, und so brachen wir vor den vier Männern auf, die allerdings nur noch bis Ahlden mussten. Die Leine überquerten wir dann erst kurz hinter Bothmer. Der Radweg wurde ein Stück an der Leine geführt, bevor er sich wieder frei entfalten konnte. Hier säumte eine schöne alte Windmühle unseren Weg.
Über Grethem und Büchten (hier suchten wir Schutz vor dem zweiten Schauer des Tages in einer Bushaltestelle) erreichten wir Ahlden, wo die arme Sophie Dorothea so lange gefangen gehalten war. Das Schloss sprang sofort ins Auge, es war in Privatbesitz, doch den Innenhof kann man zu Fuß besichtigen. Gegen das Celler Schloss wirkte es tatsächlich ärmlich, statt Stein war es "nur" ein Fachwerk, doch der dreiflügelige Schlossbau mit einer Renaissance-Fassade war eigentlich wunderschön.
Hinter Ahlden bogen wir links von der L157 ab und gelangten kurz danach auf einen
sehr angenehmen Radweg, der windgeschützt und EU-gefördert auf einer stillgelegten
Eisenbahnlinie entlang führte. Wg. der steifen Nord-West-Brise ließen wir
Aller-Radweg Aller-Radweg sein und behielten von nun an die Eisenbahnlinie
bei. Über einen weiteren umgestürzten Baum hoben wir
ein Fahrrad mit Kinderanhänger, ansonsten rollten wir problemlos immer geradeaus
bis kurz vor Rethem, wo uns die irreführende Wegweisung noch eine kleine Ortsrundfahrt
bescherte.
Der freundliche (und geschäftstüchtige) Besitzer und Wirt von Helms' Hotel bestellte
gleich bei der Ankunft einen schönen Gruß von einem Herrn May: er würde sich auch
um 19 Uhr zum Heidschnuckenbraten einfinden. Während des Duschens wurde ich immer
aufgeregter, schließlich hatte ich meinen Klassenkameraden seit 40 Jahren nicht
mehr gesehen.
Alle trafen vorzeitig an unserer gedeckten Tafel ein und gespannt warteten wir
auf den weiteren Gast. Als regionales Bier gab es "Stackmann's Dunkel" (ja, mit
Apostroph) – und dann kam er. Auf den ersten Blick erkannte ich ihn nicht,
da seine noch beim Abi blonden Haare erstens immer noch vorhanden und zweitens dunkel
geworden waren. Aber das Gesicht war doch nahezu unverändert und der Charakter
ebenso.
Nachdem wir zwei Fleischplatten Heidschnuckenbraten geleert hatten, sagte der Wirt:
"Die Küche lässt fragen, warum er keinen Braten nachfordert. Ob es uns nicht
geschmeckt hätte?" Pappsatt konnten wir uns nicht mehr dazu durchringen, einen
Spaziergang durch den Skulpturengarten im Londy-Park zu machen. Irgendwann musste
sich der Klassenkamerad auch auf den Heimweg machen, nicht ohne seine Einladung für
morgen zu wiederholen. Wir anderen stiegen lediglich noch die Treppen hoch.
Sa. 13.6.09 (36 km)
Strahlender Sonnenschein weckte uns, doch insgesamt blieb das Wetter gemischt. Das
Frühstück wurde uns am Tisch serviert und dauerte nicht ganz so lange wie gestern.
Umso besser konnten wir noch an die Aller herunter fahren und die Skulpturen im
Londy-Park bewundern. Bei der Bockwindmühle wurde gerade an einem historischen
Nebengebäude gearbeitet, von diesen wohl ehrenamtlichen Arbeitern bot uns einer
an, die Mühle zu besteigen, aufzuschließen und von innen zu besichtigen. Als wir
wieder draußen waren, erklärte er uns etwas über die Geschichte – und dass die
Mühle baufällig sei und jederzeit umkippen könne.
Nun verließen wir Rethem wieder. Nach kurzer Zeit fanden wir sogar den Bahndamm-Radweg wieder, der hier nordwestlich von Rethem gar nicht auf der (eigentlich neuen) Radkarte eingezeichnet war. Glücklicherweise kreuzte der Radweg sogar die Straße nach Dörverden und auf einem Radweg an dieser Straße kamen wir gut (bei weiterhin starkem Gegenwind) nach Dörverden hinein. Unsere Gastgeber warteten nicht nur wie bestellt mit kühlen Getränken (Apfelsaft von eigenen Äpfeln), sondern sogar mit einem Imbiss auf uns, so dass wir uns aus dieser gemütlichen Runde kaum wieder losreißen konnten. Und schließlich hatten wir bei der Ortseinfahrt am Bahnübergang bereits gemerkt, dass unser Zug von Verden nach Hannover auch hier in Dörverden hielt. Doch der Wunsch, Verden doch noch zu besichtigen, war dann stärker, wir wurden herzlich verabschiedet und radelten auf ruhigen Straßen bis zur alten Allerbrücke vor Verden. Diese wurde gerade erneuert und war durch eine Behelfsbrücke ersetzt. Doch auch dieses Hindernis wurde überwunden und wir gelangten direkt in die Verdener Altstadt.
Eine Menge Radlergruppen waren hier unterwegs, denn in Verden treffen ja Aller- und Weser-Radweg aufeinander. Wir schoben zunächst zum Dom für eine ausgiebige Besichtigung dieses inzwischen evangelischen Bauwerks. Die Ausstellung im Dom beinhaltete auch das Thema Taufe sowie einen Grabgang. Die nebenan liegende Andreaskirche war leider geschlossen, doch das schöne Wetter lockte uns nun zur Eisdiele (ausgezeichnet!).
Bis zur Abfahrt – wir hatten uns längst zur späteren Abfahrt entschlossen – war noch ein wenig Zeit, so machten wir noch einen Umweg über den Rathausplatz, an dem das schöne gelbe Rathaus und die Johanniskirche steht. Über eine kurze Gasse namens "Herrlichkeit" bogen wir auf den 500-Hufeisen-Weg, der zum Pferdemuseum unweit des Bahnhofs führt. Auf dem Bahnhof mussten wir auch durch keinerlei Unter- oder Überführung, so dass wir den Zug in Ruhe erwarten konnten. In diesem von Norddeich Mole kommenden Zug waren Fahrrad- und Sitzplätze kein Problem, der selbständige SnackPoint/Imbiss-Verkäufer unterhielt uns blendend.
Voller war schon der Zug von Hannover, in dem wir eine halbe Stunde stehen mussten, bevor sich die Lage entspannte. Witzigerweise trafen wir in dem Zug die alten Bekannten wieder, die uns am Donnerstag Morgen auch schon von Paderborn hierher begleitet hatten (sie waren die drei Tage in Hamburg – bei Schietwetter). Unternehmungslustig wollten einige sogar schon in Altenbeken aussteigen, um mehr Radkilometer zu sammeln. Schließlich einigten wir uns darauf, vom Bahnhof eine besonders schöne Strecke (ohne größere Umwege) zum "Piccola Posta" nach Schloß Neuhaus zu fahren. Ich genehmigte mir einen kleinen Umweg nach Hause, damit ich meine Einladungen an die Genussradlergruppe loswerden konnte. Der in Paderborn verbliebene Teil unserer Gruppe war bereits anwesend, das Essen wie immer hervorragend &ndash und die Stimmung bestens. Müde, aber mühelos radelte dann jeder zu sich nach Hause.
Fazit:
Wieder einmal waren wir der Meinung, eine der schönsten Touren hinter uns zu haben. Wie
bereits oben angedeutet, waren wir vor allem von der Qualität und Beschilderung des
Aller-Radwegs überrascht. Schöne Landschaft hatten wir erwartet und auch angetroffen.
Und so gut gegessen wie diesmal haben wir auch selten zuvor.