Aller-Radweg: vom Elch zur Heidschnucke – Juni 2009

Eine selbstorganisierte Radtour mit Zugan- und abreise, übernachtet wurde in einem Hotel in Celle ("Schifferkrug") und in Rethem ("Helms' Hotel")

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Vor dem Celler Schloss

o Teilnehmer: Susanne, Hans-Günter, Michaela und Otto, Angelika und Claus

o Vorbereitung:
Wieder waren Schmittis im Spiel: sie hatten ein Schiff erworben, das auf der Aller zu Hause war. Um zu einem Kran zu gelangen, befuhren sie die Aller ein Stück flussabwärts – und schilderten uns anschließend die Schönheit der Heidelandschaft. Außerdem hatte es einen früheren Klassenkameraden von mir in die Nähe der Aller verschlagen, so drängte sich dieses Ziel förmlich auf.
Die Radroute von Hannover bis Celle wurde ausgearbeitet anhand des Aldi-Kartensets "19 regionale Radtouren-Karten 1:100000", für den Aller-Radweg besorgte mir die Buchhandlung Linnemann die wasserdichte Leporello-Karte desselben. Obwohl neu erworben, waren nicht alle vorhandenen Radwege auf dieser Karte verzeichnet.
Die Zimmerbestellung verlief ohne Probleme, da in Niedersachsen kein langes Wochenende mit Brückentag anlag. Helms' Hotel war allerdings später ausgebucht, was wir vor Ort bei verschiedenen Nachfragen mitbekamen. Bei der Bestellung im Februar wurden die vielversprechendsten Häuser ausgesucht und problemlos reserviert.

o Do. 11.6.09 (48 km)
Angelika hatte eine frühe Abfahrtszeit (8:14 Uhr) bestimmt und alle waren pünktlich da – auch der Zug. Die Wetteraussichten für heute waren allerdings alles andere als vielversprechend: es musste mit Dauerregen gerechnet werden. Nach einer weitgehend angenehmen S-Bahn-Fahrt (ohne Umsteigen) verließen wir den Zug in Langenhagen-Pferdemarkt, der Dauerregen war aber nur ein leichtes Tröpfeln und ging im Laufe des Tages in einzelne Schauer über.
Aus Langenhagen heraus mussten wir erst ein Stück an der Straße entlang, bevor es vorbei an Seen in die Natur ging. Die Aldi-Karte war hier leider nicht sehr genau, doch der einzige Umweg, den wir machten, an dem war ich selbst schuld (hinter der Hohenhorster Bauernschaft nahmen wir zunächst die falsche Seite der Bahn). Ansonsten war der Radweg wunderbar und erst in Fuhrberg kamen wir wieder in Kontakt mit der Zivilisation. Erwähnenswert noch die Autobahnüberquerung über eine moderne hohe Radler-/Fußgängerbrücke.

Aller-Radweg

In Fuhrberg warteten wir bei einer Rast einen Schauer ab, bevor wir den Ort bei einer Försterei auf einem schönen geteerten Feldweg Richtung Celle verließen. Mitten im Wald hörte das Geteerte allerdings auf, ging zunächst als Schotterweg weiter, um dann als offensichtlich selten befahrener Graspfad weiter zu gehen. Wir beschlossen, beim nächsten Querweg zur parallel verlaufenden Straße zu wechseln, doch lange Zeit kam keine Möglichkeit. Endlich sahen wir von weitem ein Auto auf unserem Grasweg stehen und glaubten gerettet zu sein. Merkwürdigerweise war eine hintere Tür dieses Audi A6 Kombis offen und außerdem versperrte der Wagen den kompletten schmalen Weg, so dass ich empört klingelte. Hastig wurde auf der hinteren Ladefläche eine Decke über zwei Körper geworfen – jetzt wurde uns klar, was hier ablief. Und der Name des Modell A6 bekam eine völlig neue Bedeutung.
Hinter dem A6 interruptus konnte man tatsächlich zur Straße wechseln, doch nach zwei Kilometern konnten wir auf einen weiteren wunderbaren Radweg nach Wietzenbruch einbiegen, und erst ab hier ging es auf einem Radweg an der Straße entlang nach Celle hinein. Mit ein wenig Fragen wurde unsere Unterkunft schnell gefunden und die Räder konnten eingeschlossen und die Zimmer bezogen werden.

Schlosstheater Celle

Rechtzeitig zur letzten Führung (15:00 Uhr) brachen wir zum Schloss auf, dass nur wenige Gehminuten vom "Schifferkrug" entfernt liegt. Die interessante Führung klärte uns u. a. darüber auf, wie Hannover (und nicht Celle) zu der Ehre als Landeshauptstadt kam, und dass unser sog. "Pinkel- und Prügelprinz" (Ernst August) immer noch ein Anrecht auf den englischen Thron besitzt. Ans Herz ging die Sex and Crime Story der Prinzessin Sophie Dorothea, die auf Willen ihres Vaters ihren Vetter heiraten musste, aber später ein anderes Verhältnis einging, was Frauen natürlich nicht gestattet war. So wurde der Liebhaber umgebracht und sie für den Rest ihres Lebens (noch mehr als die Hälfte) auf Schloss Ahlden verbannt, sie durfte nur noch in geschlossener Kutsche aus dem Schloss. Das Schloss sei auch sehr ärmlich (wir sahen es später noch).
Beeindruckend war im Celler Schloss auch das immer noch genutzte Schloss-Theater sowie die Schlosskapelle mit vollständig erhaltener Renaissance-Ausstattung.

Schlosskapelle Celle

In der historischen Altstadt Danach begann ein Rundgang durch die sehr sehenswerte Celler Altstadt, selbst Kaufhäuser sind hier in Fachwerk, und es gibt auch wunderbare alte Geschäfte. Otto und Michaela besuchten jetzt Freunde, während die anderen zunächst den "Französischen Garten" besichtigten und dann weitere Altstadtgassen durchquerten. Nun wurde es auch Zeit, Ottos 95jährige Tante möglichst nicht warten zu lassen und somit zum Schifferkrug zurück zu kehren.

Fontäne im Französischen Garten

Als wir ankamen, war sie tatsächlich schon da, aber Otto und Michaela waren auch schon zurück. Den Rest des Abends gestaltete die 95jährige mit Erzählungen und Kommentaren aus dem ersten und zweiten Weltkrieg, aber auch zu aktuellen Ereignissen. Ich habe noch nie eine geistig und körperlich so fitte Rentnerin gesehen, und sie ist Rentnerin bereits seit 35 Jahren. Von ihren frechen Sprüchen zu diesem und jenem Thema ganz zu schweigen. Hans-Günter war z. B. ab jetzt (wg. vermeintlicher Ähnlichkeit) Oberbürgermeister Mende und ich selbst, weil ich wusste, in welchen Fluss die Leine mündet (schließlich bin ich an der Leine groß geworden), wurde als Oberlehrer tituliert.

Michaela, Ursel und Otto im Schifferkrug

Obwohl sie uns nur ein Bier ausgeben wollte, blieb sie zum Essen und danach den ganzen Abend bei uns, es schien auch ihr zu gefallen. Zu essen gab es übrigens die Spezialität des Hauses: Elchbraten (in beliebig großen Portionen). Erst nach 23 Uhr stieg sie in ein Taxi und wir fielen todmüde und zufrieden ins Bett.

o Fr. 12.6.09 (68 km)
Ein ausgezeichnetes Frühstück erwartete uns im bestens aufgeräumten Restaurant, erst nach mehr als einer Stunde konnten wir uns losreißen. Das Wetter war wechselnd bewölkt, nicht sonderlich warm und dazu sehr windig. Zum Glück kam er genau von vorn, so dass wir nicht andauernd seitlich umgeworfen wurden. Die Wirtin verabschiedete uns sehr freundlich und wir fanden auch gut aus Celle heraus.

Vor dem Schifferkrug

Umgestürzter Baum Kurz hinter dem Ortsausgang ging es in den Wald und wir verließen die B214. Wald ist an Tagen wie heute die beste Windbremse. Hambühren wurde kurz gestreift, ebenso Oldau und Südwinsen. Immer wieder trafen wir eine Vierergruppe von Männern auf Rädern, die in der gleichen Richtung unterwegs waren. Ab Hornbostel fuhren wir extra einen größeren Bogen, um ihnen einen kleinen Vorsprung zu geben. Zudem hielt uns an dieser Stelle ein frisch umgestürzter Baum auf.
Eine Gelegenheit zum Einkehren suchten wir zunächst vergebens, auch die Aller machte sich rar: nur selten waren wir ganz nah dran und schon aus geringer Entfernung sieht man sie nicht mehr, weil sie immer etwas tiefer als das breite Urstromtal fließt. Der Radweg war allerdings immer einwandfrei, abseits von Hauptstraßen und sehr gut beschildert (hatten wir in Niedersachsen eigentlich nicht erwartet).

Rast an der Aller

In Marklendorf ging es sogar auf die von der Aller entfernten Seite der B214, an die wir uns bei erhöhtem Einsatz bei starkem Gegenwind auf freier Ebene hinter Buchholz wieder herankämpfen mussten. Kurz vor der Straße war ein künstlich angelegter Badesee, der uns zum Verschnaufen und Sonnen einlud.
Wie sich später herausstellte gerade noch rechtzeitig brachen wir wieder auf, denn von Westen näherte sich eine pechschwarze Wolke. Bei den ersten Häusern von Schwarmstedt erreichten wir gerade noch einen offenen Carport, als es losschüttete und -hagelte. Doch genauso schnell, wie er gekommen war, war der Spuk auch wieder vorbei. Nun suchten wir (vergeblich) ein nettes Cafe, gingen schließlich ins Leinehotel (das gerade schloss), bekamen hier aber den richtigen Tipp: ein "Antiquitäten-Cafe" am Ortsende kurz vor der Leinebrücke. Unsere vier Männerradler, die gerade im Hotel zu Mittag gegessen hatten, folgten kurz nach uns ebenfalls hierher.

Im Antiquitäten-Cafe Schwarmstedt

Bushaltestelle in Büchten Der Kuchen (Landfrauen) war köstlich, die Wirtin war etwas streng, und so brachen wir vor den vier Männern auf, die allerdings nur noch bis Ahlden mussten. Die Leine überquerten wir dann erst kurz hinter Bothmer. Der Radweg wurde ein Stück an der Leine geführt, bevor er sich wieder frei entfalten konnte. Hier säumte eine schöne alte Windmühle unseren Weg.

Bothmer Windmühle

Sophie Dorothea Über Grethem und Büchten (hier suchten wir Schutz vor dem zweiten Schauer des Tages in einer Bushaltestelle) erreichten wir Ahlden, wo die arme Sophie Dorothea so lange gefangen gehalten war. Das Schloss sprang sofort ins Auge, es war in Privatbesitz, doch den Innenhof kann man zu Fuß besichtigen. Gegen das Celler Schloss wirkte es tatsächlich ärmlich, statt Stein war es "nur" ein Fachwerk, doch der dreiflügelige Schlossbau mit einer Renaissance-Fassade war eigentlich wunderschön.

Innenhof Schloss Ahlden

Hinter Ahlden bogen wir links von der L157 ab und gelangten kurz danach auf einen sehr angenehmen Radweg, der windgeschützt und EU-gefördert auf einer stillgelegten Eisenbahnlinie entlang führte. Wg. der steifen Nord-West-Brise ließen wir Aller-Radweg Aller-Radweg sein und behielten von nun an die Eisenbahnlinie bei. Über einen weiteren umgestürzten Baum hoben wir ein Fahrrad mit Kinderanhänger, ansonsten rollten wir problemlos immer geradeaus bis kurz vor Rethem, wo uns die irreführende Wegweisung noch eine kleine Ortsrundfahrt bescherte.
Der freundliche (und geschäftstüchtige) Besitzer und Wirt von Helms' Hotel bestellte gleich bei der Ankunft einen schönen Gruß von einem Herrn May: er würde sich auch um 19 Uhr zum Heidschnuckenbraten einfinden. Während des Duschens wurde ich immer aufgeregter, schließlich hatte ich meinen Klassenkameraden seit 40 Jahren nicht mehr gesehen.
Alle trafen vorzeitig an unserer gedeckten Tafel ein und gespannt warteten wir auf den weiteren Gast. Als regionales Bier gab es "Stackmann's Dunkel" (ja, mit Apostroph) – und dann kam er. Auf den ersten Blick erkannte ich ihn nicht, da seine noch beim Abi blonden Haare erstens immer noch vorhanden und zweitens dunkel geworden waren. Aber das Gesicht war doch nahezu unverändert und der Charakter ebenso.
Nachdem wir zwei Fleischplatten Heidschnuckenbraten geleert hatten, sagte der Wirt: "Die Küche lässt fragen, warum er keinen Braten nachfordert. Ob es uns nicht geschmeckt hätte?" Pappsatt konnten wir uns nicht mehr dazu durchringen, einen Spaziergang durch den Skulpturengarten im Londy-Park zu machen. Irgendwann musste sich der Klassenkamerad auch auf den Heimweg machen, nicht ohne seine Einladung für morgen zu wiederholen. Wir anderen stiegen lediglich noch die Treppen hoch.

o Sa. 13.6.09 (36 km)
Strahlender Sonnenschein weckte uns, doch insgesamt blieb das Wetter gemischt. Das Frühstück wurde uns am Tisch serviert und dauerte nicht ganz so lange wie gestern. Umso besser konnten wir noch an die Aller herunter fahren und die Skulpturen im Londy-Park bewundern. Bei der Bockwindmühle wurde gerade an einem historischen Nebengebäude gearbeitet, von diesen wohl ehrenamtlichen Arbeitern bot uns einer an, die Mühle zu besteigen, aufzuschließen und von innen zu besichtigen. Als wir wieder draußen waren, erklärte er uns etwas über die Geschichte – und dass die Mühle baufällig sei und jederzeit umkippen könne.

Bockwindmühle Londy-Park Rethem

Claus, Brigitte und Wolfgang Nun verließen wir Rethem wieder. Nach kurzer Zeit fanden wir sogar den Bahndamm-Radweg wieder, der hier nordwestlich von Rethem gar nicht auf der (eigentlich neuen) Radkarte eingezeichnet war. Glücklicherweise kreuzte der Radweg sogar die Straße nach Dörverden und auf einem Radweg an dieser Straße kamen wir gut (bei weiterhin starkem Gegenwind) nach Dörverden hinein. Unsere Gastgeber warteten nicht nur wie bestellt mit kühlen Getränken (Apfelsaft von eigenen Äpfeln), sondern sogar mit einem Imbiss auf uns, so dass wir uns aus dieser gemütlichen Runde kaum wieder losreißen konnten. Und schließlich hatten wir bei der Ortseinfahrt am Bahnübergang bereits gemerkt, dass unser Zug von Verden nach Hannover auch hier in Dörverden hielt. Doch der Wunsch, Verden doch noch zu besichtigen, war dann stärker, wir wurden herzlich verabschiedet und radelten auf ruhigen Straßen bis zur alten Allerbrücke vor Verden. Diese wurde gerade erneuert und war durch eine Behelfsbrücke ersetzt. Doch auch dieses Hindernis wurde überwunden und wir gelangten direkt in die Verdener Altstadt.

Brückstraße Verden

Eine Menge Radlergruppen waren hier unterwegs, denn in Verden treffen ja Aller- und Weser-Radweg aufeinander. Wir schoben zunächst zum Dom für eine ausgiebige Besichtigung dieses inzwischen evangelischen Bauwerks. Die Ausstellung im Dom beinhaltete auch das Thema Taufe sowie einen Grabgang. Die nebenan liegende Andreaskirche war leider geschlossen, doch das schöne Wetter lockte uns nun zur Eisdiele (ausgezeichnet!).

Domgewölbe Verden

Bis zur Abfahrt – wir hatten uns längst zur späteren Abfahrt entschlossen – war noch ein wenig Zeit, so machten wir noch einen Umweg über den Rathausplatz, an dem das schöne gelbe Rathaus und die Johanniskirche steht. Über eine kurze Gasse namens "Herrlichkeit" bogen wir auf den 500-Hufeisen-Weg, der zum Pferdemuseum unweit des Bahnhofs führt. Auf dem Bahnhof mussten wir auch durch keinerlei Unter- oder Überführung, so dass wir den Zug in Ruhe erwarten konnten. In diesem von Norddeich Mole kommenden Zug waren Fahrrad- und Sitzplätze kein Problem, der selbständige SnackPoint/Imbiss-Verkäufer unterhielt uns blendend.

Rathaus und Johanniskirche Verden

Voller war schon der Zug von Hannover, in dem wir eine halbe Stunde stehen mussten, bevor sich die Lage entspannte. Witzigerweise trafen wir in dem Zug die alten Bekannten wieder, die uns am Donnerstag Morgen auch schon von Paderborn hierher begleitet hatten (sie waren die drei Tage in Hamburg – bei Schietwetter). Unternehmungslustig wollten einige sogar schon in Altenbeken aussteigen, um mehr Radkilometer zu sammeln. Schließlich einigten wir uns darauf, vom Bahnhof eine besonders schöne Strecke (ohne größere Umwege) zum "Piccola Posta" nach Schloß Neuhaus zu fahren. Ich genehmigte mir einen kleinen Umweg nach Hause, damit ich meine Einladungen an die Genussradlergruppe loswerden konnte. Der in Paderborn verbliebene Teil unserer Gruppe war bereits anwesend, das Essen wie immer hervorragend &ndash und die Stimmung bestens. Müde, aber mühelos radelte dann jeder zu sich nach Hause.

Im Piccola Posta

o Fazit:
Wieder einmal waren wir der Meinung, eine der schönsten Touren hinter uns zu haben. Wie bereits oben angedeutet, waren wir vor allem von der Qualität und Beschilderung des Aller-Radwegs überrascht. Schöne Landschaft hatten wir erwartet und auch angetroffen. Und so gut gegessen wie diesmal haben wir auch selten zuvor.


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