Auch bei dieser Fahrt handelte es sich um eine selbstorganisierte Genußradtour mit Radan- und Zugrückfahrt und Unterkunft in Gasthof und Hotel.
Teilnehmer: Michaela, Otto und Henning (tw.), Susanne, Vera, Reinhard, Angelika und Claus
Vorbereitung:
Einfach! Die Teilnehmer standen frühzeitig fest: Gisela und Hans-Günter zogen
Mallorca vor, von Michaela und Otto mußte unbedingt einer auf Henning aufpassen, so
daß sich eine Ideal-Teilnehmerzahl von sechs herausschälte.
Unterkunft bestellen ging dementsprechend einfach: in Marsberg klappte es beim
zweiten Anruf. Nachdem ein Gasthof in Niedermarsberg schon ausgebucht war, klappte
es "Bei Steggers" in Obermarsberg. Man bestätigte mir am Telefon, daß es sehr
ruhig gelegen wäre, obwohl es laut Stadtplan mitten in der historischen Altstadt
lag.
Der Stadtplan enthielt keine Höhenlinien ...
Auch in Warburg klappte es beim zweiten Anruf, der "Kronerwirt" (93 Jahre) reservierte
uns eine Etage mit drei Doppelzimmern.
Pech war nur, daß er drei Tage später bei unserer Tochter anrief und uns mitteilte,
daß er sich vertan hätte und die Zimmer gar nicht frei wären, weil er eine
Hochzeitsgesellschaft unterzubringen hätte. Glücklicherweise arbeitet Hans-Günters
Cousine in Warburg in einem Hotel und konnte uns nach Verhandlungen mit ihrem
Cheffe drei Doppelzimmer zu einem Sonderpreis anbieten. Auf dem Weg zum Flug nach
Mallorca konnte uns Hans-Günter die Buchungsbestätigung in den Briefkasten werfen –
mir fiel ein Stein vom Herzen!
Daß Otto dann wg. Hennings überraschender Taufe die letzte Übernachtung doch noch
absagen mußte, war dagegen harm- und problemlos.
Do. 1.6.00 (48 km)
Heute war der "höchste Feiertag im Jahr" (O-Ton Franz Kniewel), nämlich Vatertag.
Und wie der Zufall es so will: nach zwei Wochen schlechtem, kaltem und stürmischem
Wetter meinte es Petrus gut mit uns. Wir fuhren in kurzer Hose und T-Shirt oder
höchstens einem dünnen Pullover bei angenehmen Temperaturen los – von Wewer, wo sich
Susanne, Otto, Vera und Reinhard eingefunden hatten.
Und wohin fährt man am Vatertag? Natürlich ins Altenautal nach Etteln zum
Schwänchenteich, wo jedes Jahr eine riesige Vatertagesfeier stattfindet
mit Bierbuden, Würstchen und Grillfleisch, Kaffee und Torten – und als Highlight
frisch geräucherte Forellen frisch aus dem Teich. Seit Jahren waren wir mit der
Tischtennisabteilung am Vatertag dorthin geradelt, diesmal waren wir schon vor
den Tischtennisspielern da, aber mit Gepäck. Unterwegs überholten wir die
verschiedensten Vatertagsgruppen, am besten ist immer die rollende Badewanne
mit eisgekühlten Getränkeflaschen (nicht nur Bier). Natürlich hat die Badewanne
eine Flagge, einen Auspuff und Lautsprecher auf beiden Seiten für die entsprechende
Musikuntermalung.
Am Festplatz hatten wir noch die freie Auswahl an Plätzen, kühlten uns erst auf einer
schattigen Bank etwas ab, um dann auf einer sonnigen das Leben, das schöne Wetter
und den Vatertagstrubel zu genießen; auch Sanders gesellten sich an unseren Tisch.
Um Viertel nach Zwölf waren die ersten Forellen fertig – und lecker wie immer.
Noch den ganzen Tag war der angenehme Räucherduft an den Fingern, das geht nicht
abzuwaschen. Mitten beim Essen kamen die Tischtennisleute und fanden auch noch
einen großen Doppeltisch neben uns. Dann kamen auch Michaela und Henning (5 Monate).
Vera und Reinhard kamen ins Grübeln: Otto war einmal hier mit auf dem Vatertagsausflug
gewesen und schon wurde er Vater. Reinhard war jetzt das erste Mal mit ...
Die geplante Abfahrzeit von halb eins wurde geringfügig überschritten, als Ausgleich
wurden auch noch die leckeren Ettelner Torten probiert, natürlich mit Tass Kaff.
Ich kümmerte mich darum, daß bei den Tischtennisspielern das Bier nicht schal wurde,
weil immer viel zu viel bestellt worden war.
Mit den besten Wünschen von der Tischtennisgruppe traten wir dann doch irgendwann
die Weiterfahrt an, gleichzeitig fuhren auch Michaela und Henning nach Hause. Um die
Ecke lag schon die nächste Radlerrast, die wir großzügig ausließen. Weiter oben im
Altenautal begegneten uns noch einmal Sanders, die einen Ausflug nach Kloster
Dalheim gemacht hatten. Auch wir machten in Kloster Dalheim eine Rast, nachdem wir
zuvor das im vorigen Jahr angelegte Arboretum besichtigt hatten (schließlich hatten
wir zwei Biologielehrerinnen dabei). Die Ruhe und angehme Athmosphäre von Kloster
Dalheim ist immer wieder erbaulich.
Hinter Kloster Dalheim geht es unter der A44 hindurch auf eine ausgedehnte Hochfläche
(meistens ging es "hoch"), bis man kurz vor Essentho die höchste Stelle (über 400 m)
erreicht hat. Hier erwischte uns ein Mini-Schauer, doch Otto warf in Panik das
Regencape über und zog sogar die Regenhose an. Als Liegeradfahrer bleibt man da
gelassener. Ich versprach: "von nun an ging's bergab", was bis zum Zentrum von
Marsberg auch stimmte. Rasant und mit einigen Serpentinen ist vor allem die Abfahrt
von Essentho bis zur B7 kurz vor Marsberg, Motorrad- und Autofahrer waren hier
kaum schneller.
In Marsberg waren auch gleich Schilder nach Obermarsberg, lächerliche 2 km sollten
es sein, blöd war nur, daß es steil bergan ging. Aber nette Häuschen säumten die
Straße und so freuten wir uns schon auf eine angenehme Unterkunft und eine kühlende
Dusche. Doch plötzlich war Marsberg zu Ende und die Straße wurde immer steiler.
"Obermarsberg 1 km" verkündete das Ortsendeschild und die Steigung betrug 20 %,
wie sich oben herausstellte.
Fix und alle kamen wir oben an, mußten auch bis zum
höchsten Punkt, um zu "Steggers" wieder etwas hinunterzufahren. Die Zimmer waren
sehr schön (klein und fein), doch bei unserer Ortsdurchfahrt war uns noch kein
einziges Restaurant aufgefallen. Frischgeduscht machten wir dann eine Ortsbegehung,
jedoch nicht ohne vorher in unserem Gasthof zu fragen, ob wir eventuell bei ihnen
essen könnten (es hing keine Speisekarte draußen). Was nützt einem das Bewußtsein,
sich an einem bedeutenden historischen Ort zu befinden, wo Karl der Große (Franke)
das Land den Sachsen abgejagt hat, wenn man Hunger hat?
Es war ein Glück, daß wir gefragt hatten. Der Koch war zwar schon nach Hause
geschickt worden, doch uns wurde trotzdem noch ein ordentliches Essen zugesagt.
Und tatsächlich war in Obermarsberg kein Restaurant zu finden und an eine Fahrt
nach Niedermarsberg war nur mit dem Taxi zu denken. So begaben wir uns nach
Besichtigung des Schandpfahls und Umrundung der beiden eindrucksvollen Kirchen
wieder in unseren Gasthof und bestellten nach einer einseitigen Speisekarte
(Schnitzel rauf und runter) recht gute Jäger-, Zigeuner- und Wiener Schnitzel
mit Salat und Pommes. Für die gut besetzte Theke wurde Vatertagsmusik ("Die
Hände zum Himmel") angemacht, doch inzwischen hatten wir auch schon genügend
Hörner-Bier (Westheimer) intus, daß uns das nichts ausmachte, im Gegenteil: Otto
sang kräftig mit.
Nach zwei von Veras Spielen ("Zoff im Zoo" und "Wizard")
waren unsere Augendeckel so schwer,
daß wir es gerade noch bis in die Betten schafften.
Fr. 2.6.00 (52 km)
Strahlender Sonnenschein und ein reichhaltiges Frühstück sorgten dafür, daß wir
"Steggers" bedenkenlos weiterempfehlen können – wenn man den Berg bewältigt.
Die rasante Abfahrt war leider viel zu kurz, verglichen mit dem Anstieg, der sich
endlos hinzog.
Unten im Diemeltal wurde dann erstmal alles langärmelige und langbeinige vom
Leib gerissen. Und gleich am Anfang wurden wir von einem sehr schönen Teilstück
des Diemel-Radweges überrascht. Auf einem schmalen Waldweg, rechts unten die Diemel,
links gings steil hoch zur B7, verließen wir das Zentrum von Marsberg, um erst in den
Vororten wieder auf normale Wege zurückzukehren.
Westheim war der erste Ort nach Marsberg, ganz nett, doch nach der Brauerei hielten
wir vergeblich Ausschau. Auch bei der Durchfahrt zwischen Badeseen und Fischteichen
zeigte sich der Radweg von seiner schönen Seite, bevor man auf einer verkehrsarmen
Straße einen Abstecher ins Orpetal macht. Als wir dann zur Diemel zurückkehrten,
überquerten wir fast unbemerkt wieder die A44. In Wrexen war bei dieser Hitze
bereits die erste Rast fällig, direkt neben dem abgebrochen wirkenden hohen
Kirchturm mit vier Außenspitzen. Hinter Wrexen dann das Trageabenteuer: wg. der
vielen Ozeandampfer, die auf der Diemel verkehren, hatte man die Radwegbrücke
ausgesprochen hoch gebaut und auf beiden Seiten mußten die Räder von jeweils
zwei Personen eine steile und hohe Treppe hoch- und runtertransportiert werden.
An Scherfede und Rimbeck rollte man fast unmerklich vorbei, um dann bei Wethen
den "Steilen Berg" zu erklimmen (220 m). In Germete suchten wir das vornehmste
Haus am Platze auf, um die Hitze mit "Radler" und Apfelschorle hinunter zu spülen.
Und Michaela und Henning wurden von zu Hause losgeschickt, um uns gleich in Warburg
zu treffen. Wir wohnten dort nicht in der Oberstadt, aber auch nicht in der
Unterstadt, sondern in der Vorstadt im
Hotel "Berliner Hof". Den Chef klingelten wir erstmal aus seinem Mittagsschlaf,
doch dann wurde er zutraulicher und bot uns nette Zimmer an. Nur kurz stutzte er,
weil wir mit sechs Personen in zwei Doppel- und ein Einzelzimmer wollten.
Als Michaela auch eingetroffen war, machten wir einen schönen Stadtbummel, zuerst
durch die Oberstadt. Besondere Sehenswürdigkeiten: die Eisdiele, das Böttrichhaus
(zufällig gab's da leckere Waffeln und Kaffee vom Eine-Welt-Laden), das Marianum,
das "Rathaus zwischen den Städten" und der tolle Blick von oben auf die Altstadt.
Spontan beschlossen wir, auf der "Alm" (mit der tollen Aussicht) zu essen. Doch ohne Fleiß kein Preis: jetzt ging's runter in die Altstadt mit Altstädter Rathaus und Eckmänneken, dann wieder steil hoch zur Erasmuskapelle auf dem Burgberg (ebenfalls tolle Aussicht), und das ganze immer mit Henning im Kinderwagen.
Nach der Rückkehr zum Hotel machten die ganz Harten noch die Radtour zum Desenberg, dem einzigen Vulkan in Norddeutschland. Seit ein paar Jahren (ca. 20 Mio.) ist er aber nicht mehr aktiv und man kann von seiner Spitze eine herrliche Rundumsicht genießen.
Auf der Rückfahrt warf Otto schon mal einen Blick auf den Bahnhof, von
wo um 22:00 Uhr sein Zug fuhr. Auf der "Alm" hatten Susanne und Geli den letzten
Terrassentisch ergattert, denn heute war bestimmt der schönste Abend im Jahr.
Das Essen war auch sehr gut, wenn auch nicht ganz pünktlich, aber in dieser
angenehmen Athmosphäre beschwerten wir uns auch nicht, wenn uns statt des bestellten
kleinen Biers ein großes gebracht, aber nur ein kleines abgerechnet wurde. Nach
und nach verschwand das Tageslicht, und die Lichter gingen in der unter uns liegenden
Altstadt an. Otto mußte leider irgendwann zwischendurch zum Zug.
Im Hotel war natürlich die Fahrradgarage längst verschlossen, als wir ankamen,
doch was macht das bei so schönem Wetter!
Sa. 3.6.00 (53 km)
Strahlender Sonnenschein weckte uns (wie meistens auf unseren Touren)!
Die Wechselbäder der Dusche entschädigte ein reichhaltiges Frühstücksbuffet
- mit Müsli und Quark mit frischen Erdbeeren!
Nachdem wir zum fünften Mal nach der einzigen Bild-Zeitung des Hotels gefragt
worden waren, begaben wir uns dann doch lieber auf die Piste, die am heutigen
Samstag ganz schön voll werden sollte. Richtig romantisch geht es unterhalb von
Warburg im Diemeltal zu (Twistenmühle), man merkt kaum, daß man an einer größeren
Stadt entlangfährt. Und erst kurz vor Haueda ("Haue?" "Da!") auf einem kleinen
Höhenzug eröffnet sich beim
Zurückschauen der Blick auf den gewaltigen Vulkankegel des Desenbergs. Nach
Haueda kommt gleich die Liebenau, rechts der Diemel schaut man bald auf den
mächtigen Heuberg (fast 400 m). Kurz vor Lamerden lud ein leuchtendrotes Mohnfeld
dazu ein, das Vorjahresfoto zu wiederholen.
So nach und nach wurde der Weg immer splittiger. Das erklärt auch, warum gerade
ein Ammonit das Symbol des Diemel-Radwegs ist (ebenso wie im Altmühltal).
Schon lange vor Trendelburg rückt die imposante Burg ins Blickfeld. Die schönsten
Burgen Deutschlands liegen auf Erhebungen in Flußtälern. "Nichts wie rauf" war
unser Motto. Doch die Steigung war annähernd wie in Obermarsberg (nicht ganz so
lang). Die Burg selbst ist ein Hotel und nur zugänglich, wenn man dasselbe oder
das Restaurant/Cafe besucht. Doch kühle Getränke kamen uns gerade recht und so
konnten wir von der Cafe-Terrasse die herrliche Aussicht auf die Diemelschleife
um Trendelburg herum genießen.
Wie immer am letzten Tag unserer Radreisen zog sich der Himmel langsam zu, aber
noch nicht bedrohlich.
In der zweiten Diemelschleife hinter Trendelburg stand plötzlich ein Rettungswagen
auf dem Radweg. Hier ging eine Schotterstrecke einen Seitenhügel hinauf und es war
ein Hinabrasender mit ainem Aufwärtsfahrer frontal zusammengestoßen. Seitdem
fauchte Geli jeden von uns an, der es wagte, links auf dem Radweg zu fahren. Dabei
folgten jetzt besonders schöne Waldstücke sowie das Wasserschloß Wülmersen (etwas
zugewachsen). Es wurde immer drückender, doch Bad Karlshafen wäre längst zu sehen
gewesen, wenn die Diemel nicht noch so viele Schleifen geschlagen hätte (schöne
Aussicht auf die Krukenburg).
Nach Bad Karlshafen rollten wir diesmal von einer ganz anderen Seite als
letztes Mal hinein: nach einem Villenvorort war man direkt am barocken Hafen und
Stadtzentrum, auch unsere Eisdiele gab es immer noch. Und das beste: Erdbeerbecher
waren der Tageshit! Während wir unser Eis schleckten, verschwand die Sonne
ganz, und wir verschoben das Besteigen des Hugenottenturm wiederum um ein Jahr
(-tausend?). Auf dem riesigen Bahnhof fanden wir uns schnell zurecht, doch mit
dem Fahrkartenautomaten hatten wir wieder kein Glück: ein Fünfmarkstück nahm er
nicht an für unser Wochenendticket. Und Vera ist doch immer so ängstlich.
Gerade noch trocken kamen wir in den Zug, da setzte in Schauer ein, dessen Nachwehen
uns beim Umsteigen in Ottbergen noch ein wenig abkühlten.
In der Schönwetterecke Deutschlands (Paderborn) war es natürlich trocken, so daß
wir alle mit dem Rad nach Hause fahren konnten, selbst die Strecke nach Verne
bewältigte Susanne aus eigener Kraft.
Abends trafen wir uns im "Holzchen", wo uns der hervorragende Koch verwöhnte,
und mit gefülltem Bauch wurden allen schon frühzeitig die Augenlider schwer.
Fazit:
Wieder ist ein schönes Kapitel Radreise dazugekommen. Auch das
Diemeltal ist sehr nett zu befahren, landschaftlich ausgesprochen schmuck, und
hat hübsche Städtchen!
Oder liegt das ganze an der Art der Fortbewegung mit
dem Rad, daß wir hinterher immer so zufrieden sind?