Eine selbstorganisierte Radtour mit Zugan- und -abfahrt nach Emmerich, übernachtet wurde in einem Hostel in Arnheim (NL)
Teilnehmer: Michaela und Otto, Susanne, Hans-Günter, Vera, Angelika und Claus
Vorbereitung:
Vor vielen, vielen Jahren schwärmte ein Kunstlehrer vom Mauritius-Gymnasium von
der Schönheit der Hoge Veluwe und des Kröller-Müller-Museums darin. Dieses
Auslandsziel schien per Bahn in Deutschland und danach per Rad durchaus erreichbar.
Den Stress der Zugbuchung (mit jeweils zweimaligem Umsteigen) hatte ich bereits
im Januar hinter mir, eine günstig gelegene Unterkunft in Arnheim (NL: Arnhem)
wurde auch bald gefunden:
Stayokay.
Und für das Ausarbeiten der Radroute blieb dann noch viel
Zeit. Hilfreich war hier der Spiralo zur "Kulturroute an Lippe und Ijssel".
Do. 5.5.05 (7 + 60 + 7 km)
8:21 Uhr war die Abfahrzeit unseres ersten Zugs in Paderborn am Hauptbahnhof. Wir
waren alle pünktlich da, der Zug auch, nur fuhr er nicht pünktlich ab. Doch das
bisschen sollte er bis Hamm wieder aufholen.
Das erste Mal hält der Zug in Scharmede, hier, überlegten wir uns, wollten wir
auf der Rückfahrt aussteigen (falls wir jemals so weit kommen sollten). Doch dieses
Mal war die Bahn zuverlässiger als ihr Ruf, wir kamen in Hamm pünktlich an, schafften
das Umsteigen mit einigen anderen mitreisenden Radlern problemlos und saßen sichtlich
beruhigt in einem halbleeren Zug Richtung Ruhrgebiet. In Dortmund änderte sich das
schlagartig, ab hier konnten wir das Leben in vollen Zügen genießen. In Duisburg
erleichterten wir den vollen Zug und stiegen in einen Uralt-Bummelzug nach Emmerich.
Der Bahnhof von Emmerich liegt nicht ganz im Zentrum, ab jetzt waren unsere Räder im
Einsatz. Die Innenstadt liegt direkt an der Uferpromenade des Vater Rhein, wir zogen
den Blick auf den Rhein und die längste Hängebrücke Europas vor. Nach dem Zentrum
ging es kurz auf eine Ausfallstraße, dann Schlafstraßen, die unmerklich in den Wald
übergingen. Ein schöner Radweg lockte uns von der Straße und kurz danach erreichten
wir ein kleines Schlösschen – nur von der falschen Seite. Natürlich wurde hier auch
geheiratet, wer sich sowieso traut, der lässt sich den 05.05.05 nicht entgehen.
Noch nicht ganz sicher, ob wir jetzt auf dem rechten Weg waren, gab uns ein
Fahrradwegweiser nach Stokkum (NL) Rückenwind. Durch Stokkum wollten wir laut Karte
auch fahren. Unmengen von Radlern in kleineren und größeren Gruppen umringten uns,
kreuzten und querten unsere Radroute und ganz plötzlich waren auch alle Autokennzeichen
schwarz-gelb. Eine Grenze ist nur noch zu erahnen.
Hinter Stokkum fuhren wir (und alle anderen) durch einen großen Wald und – was wir
überhaupt nicht erwartet hatten – über einen richtigen Berg. Unter den ganz wenigen
Autos, die uns entgegen kamen, war eine schöne und sehr alte Oldtimer-Parade.
Durch Felder und Bauernhöfe sowie auf dem Deich der Ijssel
näherten wir uns dem ersten richtig schönen Städtchen:
Doesburg. Auch hier wurde kräftig gefeiert, obwohl die Holländer weder Vatertag noch
Christi Himmelfahrt kennen. Später wurde das Geheimnis gelüftet: Holland hatte heute
sogar einen doppelten Feiertag: Befreiungstag und Nationalfeiertag. Wir setzten uns
in ein schönes Straßen-Cafe und genossen das schöne Wetter, den Kaffee, den Kuchen und
manche auch das Bier. Nach kleinen Stadtrundgängen wollten wir gerade weiter radeln,
als Susanne mit einer riesigen Schachtel Pommes Frites auftauchte.
Vollgefüllt mit Fritten schwangen wir uns auf zur letzten
Etappe: über die Ijssel ging es entlang einer Autostraße (aber immer auf sehr
großzügigen Radwegen) durch mehrere Orte Richtung Arnheim. Kurz davor bogen wir ab
zum Schloss Rozendaal, nachdem wir vorher noch ein anderes Schlösschen (von außen)
besichtigt hatten. Und oh Wunder, schon wieder ging es den Berg hoch. Holland ist
viel bergiger, als man denkt, zumindest im Bereich Arnheim. Vom Schloss Rozendaal
wurde leider gerade der Schlossgarten abgeschlossen, so dass uns nur ein entfernter
Blick auf das Schloss blieb.
Ab hier merkten wir deutlich den Einfluss einer Großstadt (Arnheim): auf der Straße,
an der unser Radweg führte, war ein kilometerlanger Stau. Doch wir waren kurz vor
dem Ziel, unser Hotel lag in einem lockeren Wohngebiet mitten im Wald – an einer
abschüssigen Strecke. Wie hoch wir tatsächlich über Arnheim wohnten, sollten wir
erst später erfahren. Das Hotel selbst war sehr belebt, ein Reisebus stand vor der
Tür, dabei sah es von außen gar nicht groß aus. Dass wir die Betten selbst beziehen
mussten, war die erste Überraschung, die zweite war, dass es nur Doppelstockbetten
gab – bei entsprechend kleinen Zimmern. Da wir sowieso nur 3- und 4-Bett-Zimmer
bekommen hatten, konnte aber eh nichts passieren.
Ansonsten war das Hotel aber ganz niedlich, vielfach von Familien genutzt – und es
hatte eine einladende, gemütliche und preiswerte Bar. Doch wir mussten erst mal alle
durch die Dusche (nachdem wir auch Handtücher gemietet hatten). Jetzt meldete sich der
Hunger. Im Hostel gibt es Abendessen nur auf Bestellung, das hatten wir aber nicht
gemacht, außerdem wollten wir sowieso ein bisschen in der Altstadt bummeln. Also auf
die Räder und ab in die Stadt!
"Ab" erwies sich als der richtige Ausdruck – denn es ging nur abwärts! Uns graute
ein wenig vor der Rückfahrt.
Auch in der ganzen Innenstadt wurde gefeiert, und bereits vor der Innnenstadt
wurden in einem Park (auf einem Berg!) Vorbereitungen zu einem Heißluft-Ballonglühen
getroffen. Doch unser Hunger war stärker, vielleicht sahen wir ja auf der Rückfahrt
noch etwas davon.
Am Korenmarkt spielte eine Band, die man fast in der ganzen Stadt hörte, und kurz
danach fanden wir einen Inder, der von zwei anderen Gästen (Mädchen) empfohlen
wurde. Es war tatsächlich sehr gut ("Kip Tandoori") und das Bier schmeckte auch
prima!
Da noch die Bergfahrt vor uns lag, fiel der Stadtrundgang nicht gerade üppig aus.
Die Rückfahrt hatte den Vorteil, dass wir tatsächlich die kürzeste Strecke zum
Hostel fanden und gut aufgewärmt in die dortige Bar einfielen. Auf einer
Großbild-Leinwand lief UEFA-Pokal: hier schied gerade der letzte holländische
Verein AZ Alkmaar unglücklich mit 3:2 (0:1) gegen Sporting Lissabon aus. Man sah
einige Tränen. Zum Glück war es keine deutsche Mannschaft, die den K.O. versetzte,
denn alle deutsche Mannschaften waren schon lange vorher ausgeschieden.
Das quietschende Bett sorgte für eine stressreiche und nahezu schlaflose Nacht.
Fr. 6.5.05 (51 + 3 km)
Heute war unser Hoge
Veluwe Tag!
Vorher gab es holländisches Frühstück: Kaffee bis zum Abwinken, verschiedenene
wabbelige Brotsorten – und viele süße Brotaufstriche, Pindakaas, Nuss-Nougat-Creme
und so etwas, was man in Deutschland auf den Kuchen streut: Schoko-Raspel. Bis auf
das Brot war aber für jeden Geschmack etwas dabei, so dass wir erst anderthalb
Stunden später Richtung Hoge Veluwe aufbrachen.
Nach ca. 10 km Radfahrt durch einen Wald standen wir am Eingangstor Schaarsbergen
zum Nationalpark "Hoge Veluwe", wo auch schon unsere Mitbwohner aus Hagen angekommen
waren (mit dem Auto). Wir kauften Kombi-Eintrittskarten (mit Kröller-Müller-Museum)
und radelten auf der Hauptstraße in den Park. Nach kurzer Strecke ging rechts und
links ein Radweg ab, den wir zunächst nicht nahmen. Etwas später gab es links einen
Wegweiser zu einer Wildbeobachtung, hier verließen wir die Hauptstraße und nach
kurzer Zeit auch den Wald. Eine nahezu baumfreie Heidefläche war tatsächlich gut
zur Wildbeobachtung geeignet, doch das einzige Wild, das wir sahen waren von weitem
auf dem Radweg heranradelnde Parkbesucher. Da es im Park kostenlose (weiße) Räder
gab, waren diese hier die Hauptverkehrsmittel.
Auf dem Rückweg zur Hauptstraße bogen wir auf einen stark befahrenen Radweg, der uns
durch einen lichten Birkenwald direkt zum Kröller-Müller-Museum brachte. Schon vor
dem Eingang waren eindrucksvolle und seltsame Kunstwerke zu betrachten und begehen
(u. a. verspiegelte Glaskästen, die beim hineingehen von außen undurchsichtig wurden).
Innen waren hinter dem Eingangsbereich einige Skulpturen (z. B. sheaves (Garben)),
bevor wir in den Bereich mit den wechselnden Ausstellungen vorstießen. Viele uns
unbekannte Künstler, aber auch Werke von Monet, Manet, Cezanne, Picasso, Gaughin,
Mondriaan und natürlich auch van Gogh waren hier zu sehen. Bevor wir zur
Daueraustellung "Helenes Favoriten" gelangten, kamen wir am "Restaurant" vorbei,
ein bescheidener Schnellimbiss mit Selbstbedienung. Zum Glück hatten wir unser
"Butter" von gestern noch in der Tasche ...
"Helenes Favoriten" waren fast ausschließlich van Gogh, u. a. die berühmte "Pont
de Langlois".
Nach einem leichten Anstieg bis zur Höhe unseres Hostels rollten wir wieder eine
lange Abfahrt zur Innenstadt hinunter. Wir stellten unsere Räder (überflüssigerweise)
Regen-sicher ab und begannen einen kleinen Rundgang bis zur Eusebiuskerk, immer
aber alle an unserem Weg liegenden Speiselokale im Blick. Da die Einigung bei
so vielen Personen immer schwer fällt, sprach Susanne ein Machtwort, zumal sich
auch die ersten Frostbeulen einstellten: es war empfindlich kalt geworden.
Susanne hatte wieder einen Glücksgriff getan! Wir waren zwar die einzigen Gäste
(vielleicht waren noch alle müde vom gestrigen Feiertag), doch Speisen und das
obligatorische Bier waren hervorragend – zwei entschlossen sich sogar zu einem
kompletten Menü.
Nach dem Essen hielten wir uns auf Grund der Temperaturen nicht mehr lange in der
Stadt auf. Bei der Bergauffahrt zu unserem Hotel wurden wir wieder gut warm, in der
Bar war heute auch ein gemütlicher Tisch frei ...
Irgendwie hatten Angelika und ich etwas Schlaf nach zu holen, was uns in dieser Nacht
auch besser gelang.
Sa. 7.5.05 (46 km, Susanne ein wenig weniger)
Beim Blick aus dem Fenster registrierten wir leichten Regen und absolute Windstille.
Noch einmal gemütlich holländisch frühstücken, dann hieß es, Bett abziehen und
Abschied nehmen.
Doch nicht gleich in die große, weite Welt, sondern erst Mal zum nächsten holländischen
Supermarkt lenkten wir unsere Räder. Besonders Vera unternahm einen Großeinkauf und
lud ihren Hänger (oder hatte sie keinen?) voll. Es tröpfelte immer noch ganz leicht,
so dass Regenkluft heute angesagt war.
Nun ging es wieder die rasende Abfahrt hinunter zur Innenstadt und zur "Brücke von
Arnheim", die über komplizierte Fahrrad-Leitsysteme angesteuert werden musste. Von
der Brücke genossen wir noch einmal die Aussicht auf die Stadt, bevor wir uns auf der
linken Neder-Rijn-Seite auf den hervorragend befahrbaren Deich begaben. Nach
Unterqueren einer Autobahnbrücke führte der Radweg ein Stück an der Straße entlang,
bevor zu einer Rijn-Fähre abbogen, um wieder auf das rechte Ufer zu gelangen. Der
Neder-Rijn ist bei weitem nicht so breit wie der (noch komplette) Rhein bei
Emmerich, so mussten wir nicht lange auf die Fähre warten (70 ct pro Fahrrad
einschließlich Fahrer). Wir waren die einzigen Mitfahrer, zumindest auf dieser
Tour.
Rechtsrheinisch erklommen wir sofort den Deich, der hier sogar noch ein bisschen
höher war und eine hervorragende Aussicht auf Nah und Fern bot. Rechts und links
vom Deich waren Wiesen und Felder, aber mitunter auch hübsche Siedlungen mit
schönen Gärten und vielen Tieren: Ponys, Kühe, Enten, Bergziegen (ja, am Niederrhein
ist der Deich ein Berg). Der Regen hatte nun auch komplett aufgehört und Angelika
wünschte sich bereits Sonnenschein zu dem lieblichen Landschafts-Panorama.
Wegen eines größeren Gewässers führte der Deich uns an
einer Stelle weit weg vom Rhein. Als wir in Tolkamer wieder direkt an den (hier
noch kompletten) Rhein kamen, bot sich eine herrliche Aussicht auf den Hafen, den
Schiffsverkehr – und drohende Regenwolken. Zum Glück waren an diesem Aussichtspunkt
auch zwei nette Ausflugslokale. Susanne suchte das Bessere der beiden aus und wir
überstanden den Schauer trocken und gemütlich bei einer kleinen Zwischenmahlzeit
(bretonische Fischsuppe).
Danach ging es weiter auf dem Deich, vorbei an einem nachgebildeten Mammut, das
hier bei Ausgrabungen gefunden worden war. Etwa fünf Kilometer vor Emmerich, wir
hatten die längste Hängebrücke Europas schon fest im Blick, setzte ein weiterer
Schauer ein, den wir in einer Wanderhütte mit unseren Rädern abwarteten.
Nun wollten wir eigentlich noch auf die Hängebrücke radeln, um die Aussicht auf
Emmerich zu genießen, doch erneut zeigte sich ein sehr dunkles Wolkenbild am Himmel.
Also direkt auf nach Emmerich in die Innenstadt, wo wir nun noch ca. eineinhalb
Stunden Zeit tot schlagen mussten. Michaela nutzte die Zeit, um Henning neu
einzukleiden, Vera kaufte ein Holz-Xylophon, das später noch eine Rolle spielte.
Während wir uns in den Geschäften herumdrückten, gab es den stärksten Schauer mit
Blitz und Donner.
Die folgende Regenpause nutzten wir, um zum Bahnhof zu radeln. Eine halbe Stunde
vor unserem gebuchten Zug ging bereits ein Regional-Express nach Oberhausen, auf
diese Weise konnten wir die dortige sehr knappe Umsteigezeit problemlos verlängern.
Überhaupt muss man sagen, dass sich die DB auf dieser Reise von ihrer besten Seite
zeigte, alle Anschlüsse wurden geschafft und wir bekamen auch immer einen Sitzplatz.
Lediglich mitten im Ruhrgebiet konnte man die Züge sehr voll nennen. Der Bahnhof
von Oberhausen ist groß, aber auch nicht schöner als der Paderborner.
Nach dem letzten Umsteigen in Hamm waren wir wieder auf unserer geliebten
Heimatstrecke, erkannten auch schon die ersten Mitreisenden in die Provinz.
Susanne wurde informiert, dass sie in Salzkotten ein großer Bahnhof erwarte, so
entschloss sie sich, vorzeitig auszusteigen und zur Abschlussfeier nach zu kommen.
Alles klappte sehr gut (bei Susanne), der Zug rollte wieder an, da erscholl der
Zuglautsprecher: "Nächster Halt Paderborn Hauptbahnhof". 'Wir wollten doch in
Scharmede aussteigen! Wieso hält der Zug nicht in Scharmede?', ging es durch unsere
Köpfe. Doch bevor wir uns gefasst hatten, war Hans-Günter schon zum Zugführer
geeilt und handelte ihm einen Extra-Halt in Scharmede ab (aus Rationalisierungsgründen
hält der Zug nämlich am Wochenende nicht mehr in Scharmede).
Jetzt hieß es schnell sein, denn von Salzkotten bis Scharmede ist es sowieso nicht
weit. Dazu mussten wir noch die anderen Aussteigewilligen abhalten, die Scharmede
doch tatsächlich für Paderborn hielten. Wir bedankten uns freundlich beim
Zugführer, der rasant aus dem Bahnhof herausbeschleunigte. Da bemerkte Vera, dass
das Holz-Xylophon noch im Fahrrad-Abteil klemmte. Später wurde eine Suchmeldung
ausgegeben, das Ende dieser Episode ist noch offen ...
Mit Rückenwind begaben wir uns auf den Holzweg, der direkt von Scharmede nach
Elsen führt, und fielen bevor Reinhard uns vermutete bei Schnülls ein. Doch der
Tisch war bereits gedeckt und das Bier gekühlt, die Daheim Gebliebenen empfingen
uns königlich – und bedauerten uns wegen des schlechten Wetters, das so offensichtlich
in Paderborn geherrscht hatte.
Fazit:
Praller Kultur-Genuss eingebettet in einen lieblich schönen Nationalpark, das
bietet einem die "Hoge Veluwe" in Reinform. Die perfekte Mischung! Ansonsten
genossen wir die Vorzüge unserer Nachbarn aus den Niederlanden: eine
hervorragende Infrastruktur für das Verkehrsmittel Fahrrad – und Gastronomie aus
aller Herren Länder bis zum Abwinken!