Oder-Neiße-Radweg und Usedom – Juli 2008

Eine individuelle organisierte Radtour mit Zugan- und abreise, übernachtet wurde in Hotels. Der Reiseveranstalter war Kunath Reisen.

Oder-Neiße-Radweg

o Teilnehmer: Angelika und Claus

o Vorbereitung:
Erst kurz vor Beginn der Sommerferien war klar, dass und wann aus unserer Tour etwas wurde. Um die Suche nach geeigneten Unterkünften zu erleichtern, vertrauten wir uns einem Reiseveranstalter an, nachdem wir im südlichen Ostfriesland mit einer ähnlich individuell organisierten Reise sehr zufrieden waren. So war es auch diesmal, ein geänderter Tourbeginn und eine Verlängerung auf Usedom war für den Veranstalter kein Problem.
Beim Planen der Anreise (per Bahn) traten die ersten Schwierigkeiten auf: eine gute Verbindung von Paderborn nach Görlitz oder Zittau gibt es nicht, es deutete sich eine Wochenendticket-Fahrt mit sechs-/siebenmaligem Umsteigen an. Auf der Rückfahrt wollten wir einen Stopp in Berlin einlegen. Von Usedom nach Berlin kommt man gut (Umsteigen in Züssow), von Berlin nach Paderborn ebenfalls. Hier war ein IC im Spiel, ich buchte die Fahrkarten im Internet, Fahrradkarten geht aber noch nicht, also musste ich doch noch zum Bahnhof. Und Überraschung: die Fahrradplätze unseres Zuges waren vollständig ausgebucht. Jetzt bewährte sich unser Reiseveranstalter zum ersten Mal: ein kurzer Anruf und wir bekamen Leihräder für die Tour (und für die Verlängerung auf Usedom).
Anreisen mit Gepäcktaschen und ohne Fahrräder ist auch blöd, so buchten wir auch noch Gepäcktransfer nach und konnten normale Koffer vollpacken.
Das Kartenmaterial für die Tour war das bikeline-Radtourenbuch des Oder-Neiße-Radwegs. Obwohl ich eine sehr neue Ausgabe von 2006 mitgenommen hatte, bekamen wir vom Veranstalter vor Beginn die brandneue Ausgabe von 2008. Wie sich unterwegs heraus stellte, braucht man die Karte nicht so sehr zur Orientierung (der Radweg ist hervorragend ausgeschildert), sondern um keine der Sehenswürdigkeiten zu verpassen, die manchmal auch etwas abseits des Radwegs sind.

o Sa. 5.7.08

Görlitz: Rathausturm Wie gesagt gibt es keine gute Verbindung von Paderborn nach Görlitz, weder über Kassel noch über Göttingen (selbst über Hannover wurde angeboten). Wir entschieden uns für eine Fahrt über Göttingen, da es von dort einen längeren RE bis nach Sachsen gab. Dazu mussten wir allerdings um 5:45 Uhr aufstehen. Die erste Hürde wartete am Bahnhof: der Fahrkartenautomat nahm unser Geld willig, orgelte und beleuchte die Ausgabe – doch eine Fahrkarte kam nicht. Reisezentrum und Bahnaufsicht war natürlich noch geschlossen, das Geld war weg, was nun? Voller Wut trat ich gegen den Automat – da fiel die verklemmte Karte herunter. Beruhigt stiegen wir in den pünktlichen Zug.
Doch bereits am Ortsrand von Paderborn blieb der Zug stehen: wg. eines angeblichen Gleisbruchs (hier waren gerade vor einer Woche Gleisbauarbeiten) wäre die Strecke nur eingleisig befahrbar und wir müssten auf Gegenzüge warten. Der Zug in Ottbergen, unserem ersten Umsteigepunkt, könne allerdings nicht warten, so dass ein zweistündiger Aufenthalt in dieser Weltstadt erforderlich würde. Unmut wurde unter den Fahrgästen laut, es wurde mit Rechtsanwalt gedroht, auch wir bettelten die Zugbegleiterin, ob der andere Zug nicht doch warten könne, weil wir sonst heute das andere Ende von Deutschland nicht mehr erreichen würden. Nach endlos erscheinender Warterei setzte sich der Zug wieder in Bewegung und fuhr auf dem anderen Gleis weiter. Und plötzlich eine Durchsage: der Zug in Ottbergen würde doch warten. Puh!
Nun, die Insassen dort waren ziemlich genervt, doch der Zug holte deren Verspätung bis Göttingen fast wieder auf, so dass alle Anschlüsse (auch unserer) erreicht werden konnten. Die längere Fahrt im RE bis Glauchau war sehr angenehm, eine Dozentin aus Göttingen empfahl uns, sogar erst in Chemnitz umzusteigen, weil hier die Wartezeit (50 Min.) leichter zu verbringen wäre. So machten wir es, tranken in Chemnitz Kaffee und genossen dann die schöne Fahrt durch das Erzgebirge nach Dresden. Auch die letzte Strecke über Bautzen nach Görlitz verlief problemlos, alle Züge waren gekühlt, so dass wir nach den Schrecken am Anfang doch noch gut und pünktlich ankamen.
Vom Bahnhof gingen wir zu Fuß zum Hotel "Salesia" (heute Hochzeit) und machten dann einen ersten Spaziergang durch die Stadt, wobei man am besten durch den schönen Bahnhof von Görlitz geht (wann schließt der wohl abends?). Görlitz hat viele Türme, ein Kloster, ein schönes Rathaus (mit Sommerbühne davor) und ein wunderbares Jugendstil-Kaufhaus (hertie), so viel sahen wir bis jetzt. Doch wir waren mit unserem Reiseleiter, Herrn Kunath, verabredet und bekamen auch langsam Hunger. Er war sogar schon vor uns da und begann die Erklärung der Reise im Hochzeitsrummel. Doch kurze Zeit später kam sein Essen, so dass wir erst einmal in Ruhe die Leihräder inspizierten: es waren gut gepflegte Peugeot-Räder, die uns dann bis zum Ende der Tour treu und ohne jegliche Panne begleiteten.
Nach seinem Essen gingen wir in einigen ruhigeren Raum und er setzte die Erklärung der Tour fort und übergab uns eine Menge Infomaterial. Inzwischen war es halb neun und unser Magen knurrte hörbar. Trotz einsetzender Kühle setzten wir uns lieber nach draußen, denn der Alleinunterhalter der Hochzeit (Achim Mentzel?) war nicht ganz unser Geschmack. Am Nachbartisch saß ein junger Russe mit zwei dünn bekleideten jungen Damen, denen dann Decken gereicht wurden. Es gab Fischspieße und Landskron-Bier (KULTur-Brauerei). Trotz unseres sehr ruhigen Zimmer (von der Hochzeit hörte man nichts) schliefen wir schlecht in der ersten Nacht.

o So. 6.7.08 (55 km)
Es gab ein sehr gutes Frühstück, das Haus war ziemlich voll, viele Radler, aber auch der Russe mit den Kurzberockten. Wir packten etwas für den Ausflug nach Zittau zusammen und fuhren zuerst an die B99 bis Weinbühel, wo auch der Radweg verläuft. Nachdem man durch den Ort geführt wird, kommt man noch einmal kurz an die Bundesstraße, wo wir eine Abstecher an der Berzdorfer See machten, der ein ehemaliges Tagebau-Gelände ist und jetzt langsam mit Wasser gefüllt wird. Bis Hagenwerder fährt man dann auf einem angenehmen neuen Radweg etwas entfernt von der B99, allerdings machten uns bereits die böhmischen Fallwinde (starker Südwind) zu schaffen. Hinter dem Ort fuhren wir über die Grenzbrücke (ohne jegliche Bewachung, daran mussten wir uns erst gewöhnen) und besichtigten von außen ein prächtiges Barockschloss (Radomierzyce). Den Schlossgraben kann man komplett umrunden.
Dann durchquert man Leuba und Ostritz, bevor man vor der Pforte von Klosterstift St. Marienthal steht. Hier kehrten wir erst mal in die Klosterschenke ein. Der Radweg führt mitten durch die Klosteranlage, wir schauten uns die Klosterkirche an.

Klosterstift St. Marienthal

Danach folgt das schönste Stück des Radwegs nach Zittau: eine Fahrt in der Neiße-Schlucht durch den Mittleren Steinberg. In Hirschfelde (Industriemuseum) endet dieses schöne Stück und den Rest geht's an der B99 (mit Gegenwind) bis Zittau hinein. Die Innenstadt erreichten wir bei der Frauenkirche, dann sind wir ins Kulturlokal (Eilemer?) in den Biergarten eingekehrt und sammelten Kräfte für die Innenstadtbesichtigung mit Großem Fastentuch. Marstall, Rathaus und Frauenstraße waren die Stationen bis zum Großem Fastentuch. Kultur macht hungrig, so verspeisten wir noch auf dem Friedhof um diese Museumskirche unser mitgebrachtes Brötchen. So gestärkt bestiegen wir den 266 Stufen hohen Johanniskirchturm, von wo man eine hervorragende Aussicht über die Stadt und die Zittauer Berge hat.

Rathaus Zittau

Nun gab es noch ein Eis zum Nachtisch, die Fahrt zum Dreiländereck ersparten wir uns, sondern fuhren direkt zum Bahnhof, von wo uns die Lausitzbahn entlang des (ehemaligen) Tagebaus, eines Kraftwerks und durch schlagende Büsche zurück nach Görlitz brachte.
Nach einer kurzen Ruhepause versuchten wir, zu Fuß entlang der Neiße in die Stadt zu kommen. Dabei hat man eine schöne Aussicht auf das (unbenutzte) Eisenbahn-Viadukt nach Polen. Der Weg war jedoch insgesamt zu weit und wir beschlossen, das morgen mit dem Rad zu erledigen.
Während wir am Schwibbogen zu Abend aßen, kamen bestimmt über fünfzig verkleidete Schauspieler und Musiker aus allen Richtungen vorbei, denn heute war eine Freilichtaufführung auf der Bühne vor dem Rathaus. Auch sechs Pferde wurden herangefahren und etwas verkleidet. Bis kurz vor der Vorstellung lungerten wir an der Theaterkasse herum, denn es gab noch Karten (insgesamt waren es 300 Schauspieler), doch das Stück dauerte drei Stunden und am Himmel zogen bedrohliche Wolken auf. So verwarfen wir diese Idee und das war auch gut so, denn das Stück musste später abgebrochen werden.
Wir gingen zur Neiße runter und um die auf einem Neißefelsen stehende Kirche St. Peter und Paul herum, um dann noch ein bisschen beim Sommertheater zu spinxen (die ganze Bühne war voll), da begann es zu tröpfeln. Im Schweinsgalopp ging es nun über den Postplatz in den Bahnhof. Als wir ihn auf der anderen Seite verließen, regnete es bereits stärker und etwas durchnässt kamen wir im Hotel auf ein letztes Landskron an. Diesmal konnten wir in unserem ruhigen Zimmer gut schlafen.

o Mo. 7.7.08 (15 km)
Wieder gab es das gute Frühstück, doch heute war das Haus wesentlich leerer. Das Wetter war wieder gut, wir fuhren mit dem Rad in die Innenstadt. Am Obermarkt begann gerade eine Stadtführung, das kam uns sehr gelegen, zumal der Führer ein wortgewandter Buchhändler und Autor (Vater) eines Görlitz-Buchs war. Dreifaltigkeitskirche, Hallenhäuser, Portale, Schlesisches Museum, Rathaus, Sonnenuhren, Flüsterbogen uns St. Peter und Paul waren die Höhepunkte der Tour. Kurz nach Ende der Führung gab es einen Schauer, den wir zu einer Kaffeepause im Sonnenuhrhaus nutzten. Auf dem Rückweg besuchten wir ausgiebig das schöne Jugendstil-Kaufhaus.
Nach dem Mittagsschlaf ging's wieder auf die Räder, diesmal runter zur Neiße, über die Autobrücke ins Zentrum von Zgorzelec (polnische Seite), zurück über die Doscynskiego zur Fußgängerbrücke. Zuerst in der Vierraden- (deutsch), dann in der Dreiradenmühle (polnisch) eingekehrt, hier gab es schlesisches Bier. In der schönen Peterstraße kauften wir zuerst eine Taschen-Sonnenuhr und kehrten dann im St. Jonathan ein: es gab eine leckere Mediterrane Fischpfanne, ein guter Tipp. Anschließend machten wir einen Spaziergang durch das uns bisher unbekannte Nikolai-Viertel mit der nördlichen Stadtmauer. Der Weg zurück mit dem Rad war ein Kurztrip gegen den Fußmarsch gestern.

o Di. 8.7.08 (83 km)
Vor der heutigen längsten Etappe waren wir etwas aufgeregt und schon früh wach. Noch ein letztes Mal genossen wir das leckere Frühstück (bis Ahlbeck auf Usedom sollte es dann auch wirklich nur noch Aufbackbrötchen geben). Als wir gerade mit dem Packen fertig waren, war auch Herr Kunath angekommen, brachte uns Radtaschen, ein Hemd und einen neuen Fahrradständer mit und nahm unser Gepäck für den Transport in Empfang. Mit guten Wünschen fuhren wir los, das Zentrum passierten wir entlang der Neiße, über eine kleine Anhöhe (Ziegeleiweg) verließen wir die Stadt. Hinter Klingewalde ein Stück an der Straße, dann kamen kleine, fast verkehrsfreie Straßen bis Ober-Neundorf und Zodel.
Da ein Schauer drohte, stellten wir uns am Ortsanfang von Deschka kurz unter und erfuhren von einer Einheimischen, wie sie die Grenzöffnung nach Polen sieht. Es folgte ein schönes Stück Feld und Wald, immer mit perfekt geteerter Oberfläche. Zur Kulturinsel Einsiedel ("Mit Kindern broochste gor nich weiter fohrn") wird man extra aus dem Wald herausgeführt, ein riesiger, künstlerisch gestalteter Erlebnispark mit Baumhaus-Hotel.

Kulturinsel Einsiedel

Vor Rothenburg fährt man ein ganzes Stück direkt an der Neiße entlang, das war bislang noch ungewohnt. Dabei kommt man an der (ehem.) Tornheimer Brücke vorbei, ein Mahnmal vom 2. Weltkrieg. Bis Lodenau geht es dann zwar an der Straße entlang, doch der Radweg war meistens gut abgetrennt. Den Abstecher ins Luftfahrtmuseum ersparten wir uns, danach fuhren wir wieder durch die Neiße-Auen. An einem Rastplatz trafen wir ein norwegisches Paar, das hier ebenfalls auf dem Oder-Neiße-Radweg unterwegs war.
In Podrosche kehrten wir auf eine Apfelschorle ein, die Wirtin hatte ein Radler- und Wandererbuch, in das sich jeder eintragen musste. Die Fachwerkkirche von Pechern sahen wir schon vorher als Modell und dann in echt. Vor der Kirche gab es Kirschen – zum Selbst-Abwiegen und mit Geldeinwurf, eine leckere Sache.
Die Radwege durch die Muskauer und Pechernsche Heide waren einfach wunderbar, 1A geteert. Im schönen Sagar fanden wir sogar die Abkürzung nach Krauschwitz, wo unser Hotel lag, dies war die einzige nicht geteerte Strecke bisher, doch auch gut zu fahren, ein Waldweg mit Senke. 150 Meter neben dem (Fürst-Pückler-) Hotel kamen wir in Krauschwitz an die Straße, im selben Moment kam ein Schauer runter – wieder mal Glück gehabt! Wir bezogen ein ruhiges Zimmer, duschten und genehmigten uns dann (auf der Terrasse) ein Fürst-Pückler-Eis, das im Hotel selbst hergestellt wird.
Dann fuhren wir mit dem Rad in die Stadt Bad Muskau in den Fürst-Pückler-Park, der am besten mit dem Rad erkundet wird, so weitläufig ist er. Orangerie, Schloss-Vorwerk, Altes und Neues Schloss waren die Höhepunkte, aber auch die Doppelbrücke zur polnischen Seite, wo der Park weitergeht (Prinzenbrücke, Pückler-Stein). Das Neue Schloss wird noch intensiv restauriert, frühere Besucher erzählten, dass sie nur Außenwände hatten stehen sehen.
Zurück fuhren wir durch die Stadt (eher langweilig) zum Hotel. Beim Essen trafen wir die Norweger wieder, sie waren im selben Hotel. Das leckere Essen wurde bei mir durch ein Zahnunglück getrübt, doch entgegen meinen Erwartungen hatte es keinen weiteren Einfluss auf unseren Urlaub. Ich konnte gut schlafen und bekam keine Zahnschmerzen ...

o Mi. 9.7.08 (69 km)
Das Fürst-Pückler-Frühstück war gut (bis auf die Brötchen), wir verabschiedeten uns "endgültig" von den Norwegern. Doch schon am Parkanfang trafen wir sie wieder. Zunächst führte der Radweg entlang der Neiße durch den Park, dann folgten wunderschöne Radwege zwischen Jerischker Wald und Neiße. Vorbei an der Grenzerquelle erreichten wir zwei Käsereien bei Pusack und hinter Klein-Bademeusel ging es zum ersten Mal auf den Deich.

Ostdeutscher Rosengarten

Das Städtchen Forst erreicht man direkt beim Ostdeutschen Rosengarten, den wir natürlich ausgiebig besichtigten. Überaschend trafen wir hier die Norweger wieder, ab hier wollten sie aber endgültig Richtung Spreewald abbiegen. Als wir anschließend noch die Wehrinsel besuchten, gab es einen Schauer, den wir zusammen mit einer polnischen Schulklasse unter einem Vordach ertrugen.
Durch die Stadt ging es weiter auf dem Deich, dann drehte sich die Neiße nach Westen und heute herrschte starker Westwind. Den Tagebau Horno ließen wir daher links liegen, dafür befuhren wir einen tollen (windgeschützten) Radweg auf einer stillgelegten Eisenbahnstrecke. In Grießen kommt man direkt an dem in Privatinitiative restaurierten Wasserkraftwerk vorbei. Ein weiterer kurzer Schauer störte die folgende längere Deichfahrt nur wenig, dagegen zog sich die Stadteinfahrt nach Guben ein wenig in die Länge, bevor man an der schönen Egelneiße in die Innenstadt fährt. Wir stellten die Räder ab und gingen zum Rathaus, einer ehemaligen Hutfabrik und Industriebrache. Hier gab es einen leckeren Heidelbeerbecher, dann schnappten wir wieder die Räder und fuhren ins polnische Zentrum (Gubin). Auffällig sind hier die Ruine der Hauptkirche und das schöne Kulturhaus.

Kulturhaus und Hauptkirche Gubin

Nach einem weiteren Schauer fuhren wir zurück zur Egelneiße und verließen entlang des Plastinariums die Stadt, ein Stück Deich, bis man an die B112 kommt. Hier verließen wir den Oder-Neiße-Radweg, um zu unserem Hotel Waldow zu gelangen. Es war ein Familien- und Wellness-Hotel, zur Begrüßung gab eis ein Glas Sekt, dafür kostete die Wellness (Swimmingpool, Sauna ...) Eintritt. Das Essen war hier besonders lecker, Medallions mit Bratkartoffeln, da die Kartoffeln aus eigenem Anbau waren (die besten Bratkartoffeln der gesamten Tour). Leider war es nachts nicht ganz leise, da eine Waschmaschine durchlief.

o Do. 10.7.08 (68 km)
Das Frühstück war auch nicht so gut wie anderswo, von den Aufbackbrötchen ganz abgesehen. Aber viele Radler bevölkerten das Hotel. Zusammen mit einer größeren jungen Radlergruppe fuhren wir auch los, in Bresinchen gelangten wir wieder auf den Oder-Neiße-Radweg und in Coschen wieder direkt an die Neiße. An der Neiße-Mündung trafen wir uns alle wieder, es ist eine eindrucksvolle (und geschichtsträchtige) Mündung.
Wir beide fuhren nun weg von der Oder, über eine leere Kreisstraße nach Wellnitz und Neuzelle, auf letzterem Stück gab es wenigstens landwirtschaftlichen Verkehr. Entlang der B112 fährt man nach Neuzelle hinein, doch gleich am Ortanfang geht ein Radweg zum Kloster ab. Wir besichtigten als erstes die Stiftskirche ("Barockwunder"), dann den steilen Klostergarten (erinnert an Sancoussi) und die Kirche zum Heiligen Kreuz mit einer sehenswerten Kuppel.

Stiftskirche Kloster Neuzelle

Zurück zum Oder-Neiße-Radweg ging es zunächst sehr unkomfortabel über russische Betonplatten (mit Eisenhenkel oben), bis Eisenhüttenstadt folgt dann ein sehr ruhiges Stück auf dem Deich. Wir überquerten den Oder-Spree-Kanal, das alte Stadtzentrum von Fürstenberg ist sehr ansehlich (Nikolaikirche, Rathaus). Kurz hinter der Stadt ging es wieder an bzw. auf den Deich (mit 100-Meter-Markierungen).
In Aurith kehrten wir im Bauernstübchen ein, es gab leckeren Apfel und Quarkstrudel. Weiter ging's auf dem Deich mit schöner Oderaussicht bis Brieskow-Finkenheerd (wir guckten auch nicht in die Pflanzgefäße), ab hier ging es auf einem Radweg an der Straße nach Frankfurt/Oder hinein. Bereits vor dem Zentrum lag unser schönes Hotel ("Zur Alten Oder"). Nach einem kurzen (Nach-) Mittagsschlaf gingen wir zu Fuß über die Oderinsel Ziegenwerder (gestalteter Park) zum Stadtzentrum. Die Marienkirche war zum Glück noch offen, da heute Abend darin (Kleist-Stadt Frankfurt) "Der zerbrochene Krug" aufgeführt und vom rbb aufgenommen werden sollte. So konnten wir noch einen Blick auf die berühmten Kirchenfenster und den gewaltigen Innenraum werfen.
Stadtbild-beherrschend war der Oderturm (Hochhaus) und die Lenne-Passage, dort kehrten wir ein. Duch den Lennepark spazierte ich alleine, da Geli noch ein wenig ausruhen wollte, bevor wir über die älteste Straße der Stadt, die Fischerstraße, zum Hotel zurück gingen. Zu Abend wollten wir in unserem Hotel essen, es war aber so voll, dass wir kaum einen Tisch bekamen (ein gutes Zeichen). Im Fernsehen guckten wir dann noch die Wettervorhersage: für morgen sehr schlecht!

o Fr. 11.7.08 (28 km)
Aufgewacht sind wir allerdings mit Sonnenschein. Doch schon beim sehr guten (frühen) Frühstück verfinsterte sich die Sonne und bevor wir auf den Rädern saßen, gab es den ersten Schauer. Zwar konnten wir trocken losfahren, aber schon auf Ziegenwerder mussten wir den ersten Unterstand aufsuchen: zwei starke Gewitter tosten um uns herum. Ein 81jähriger Angler erzählte interessant vom 2. Weltkrieg und der DDR-Zeit.
Dann fuhren wir etwas weiter, doch schon am nächsten Unterstand ereilte uns das nächste Gewitter. Danach fuhren wir sofort zum Bahnhof, der in Frankfurt auf einem Berg liegt. Und wir hatten Glück: in sechs Minuten fuhr ein Zug mit Umsteigen nach Küstrin, das 22 km vor unserem heutigen Ziel (Groß-Neuendorf) liegt. Und schon beim Umsteigen in Werbig schien wieder die Sonne.

Eisenbahnkreuz Werbig

In Küstrin-Kietz (blöde Bahnhofsbrücke) gab es bei Besichtigen der Festung Küstrin zwar noch einen letzten Schauer, doch dann konnten wir trocken durch den wildromantischen Oderbruch bis nach Groß-Neuendorf fahren – immer am oder auf dem Oderdeich entlang.

Otterwechsel im Oderbruch

In Kienitz kehrten noch einmal im "Alten Hafen" ein, dabei überholten uns Bekannte, die erst mittags in Frankfurt losgefahren waren und trotzdem viel Regen hatten. Vor Groß-Neuendorf sah man schon von weitem das restaurierte Maschinenhaus, noch größer war die Überraschung im Inneren: hier hatte ein hervorragender Innenarchitekt gewaltet: das schönste Zimmer der Tour (und wir hatten viele schöne Zimmer) mit herrlicher Oderaussicht.

Unser Zimmer im Maschinenhaus

Nach einem kurzen Mittagsschlaf machten wir einen Ortsrundgang bis zum Storchennest und jüdischen Friedhof. Die Sonne stach und wir kehrten auf der Außenterrasse des Maschinenhauses ein. Jetzt zog ein Gewitter auf und das Abendessen nahmen wir lieber drinnen ein. Schade dass nur wenige Gäste hier waren (beim Essen waren wir die einzigen). Nach dem Gewitter kam noch einmal die Sonne raus, was uns zu einem Abendspaziergang auf den Deich einlud. In dem schönen Hotel haben wir auch hervorragend geschlafen.

o Sa. 12.7.08 (60 km)
Strahlender Sonnenschein und ein gutes Frühstück erwarteten uns, auch Geli ging es wieder gut. Dann gaben wir unser Gepäck ab und fuhren "vor der Haustür" auf den Deich. Auf 28 km Länge sollte keine Ortschaft mehr kommen – nur wunderschöner Oderbruch. An der Zollbrücke, die Brücke steht nicht mehr, vier bis fünf Häuser, das "Theater am Rande" (Zelt und Freilichtbühne) angeguckt, dann ging es weiter auf dem Deich westwärts bis Neuglietzen.

Storch mit Schlange

Gleich am Ortsanfang war eine große Freilichtbühne für ein Rockfestival aufgebaut, wir kehrten vor dem "Fuchsbau" ein und konnten den Soundcheck der "Männer" mit anhören, genau unser Musikgeschmack. Außerdem gab es hier die billigsten Getränke im ganzen Osten. Neuglietzen geht in Hohenwutzen über (viele Störche), dann folgt eine Deichstraße bis Hohensaaten. Von der Alten Oder geht hier ein Kanal (Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße) ab.
Nach einer Rast war plötzlich der Deichweg durch einen Zaun abgesperrt und die Radfahrer wurden unfreundlich aufgefordert, die Umleitung zu benutzen (die natürlich nicht ausgeschildert war). Zum Glück kann man sich zwischen Oder und Wasserstraße kaum verfahren, allerdings folgten bei Lunow 2,2 km russische Panzerplatten, sehr unangenehm. Dann hatte der Radweg wieder das normale gute Niveau, und von weitem sah man auch schon den dicken Stolper Turm, den im 13. Jahrhundert die Dänen hinterlassen haben.

Stolper Turm

Wir wollten den Turm besteigen, doch er war geschlossen, aber er hat eine Außentreppe bis auf halbe Höhe, von wo man schon eine wunderbare Aussicht auf den Nationalpark Unteres Odertal hat. Auf der südlichen Kanalseite geht der Radweg (Stolpe liegt nördlich) weiter nach Criewen, das ebenfalls einen schönen Lenne-Park aufweist. Mittendrin ein Schloss und die alte Dorfkirche, der Rest des Orts wurde bei der Errichtung des Parks umgesiedelt. Außerdem ist in Criewen das Nationalpark-Zentrum, dessen Besuch sehr zu empfehlen ist.
Anschließend tranken wir nebenan Kaffee und aßen Eis.
Wegen Deichbau folgte jetzt ein Stück Straße über Zützen Richtung Schwedt, kurz vor der B2 sind wir dann doch auf den (noch nicht fertigen) Deich gebogen und erst über die Schöpfwerkbrücke wieder auf der Schwedter Seite gefahren. Der Radweg führt durch eine feine Siedlung in die Stadt, dann geht's am Kanalufer (Bastion) bis zur Hauptbrücke. Über die Vierradener Straße wollten wir bis zu unserem Hotel ("Am Stadtpark"), doch rechts lag die ev. Stadtkirche St. Katharinen, war offen und wurde besichtigt. Beim Lesen der Info wurde eine Aussichtsplattform erwähnt und auf unsere Nachfrage schloss uns eine Frau den Kirchturm auf. Nach einem aufregenden Aufstieg hatten wir eine tolle Übersicht, vor allem beeindruckte uns das ubs (Uckermärkische Bühnen Schwedt) und die Petrol-Industrie (brennend) am Stadtrand.
Nach dem Abstieg fuhren wir noch mal zum Theater zurück, um uns über eventuelle Vorführungen zu informieren: heute war Theater im Park ("Was ihr wollt" als Musical) und es gab noch Karten. Dann ging's endlich zum Hotel, das schon bessere Tage gesehen hatte. Die absolute Überraschung aber war: unser Gepäck war nicht da! Bei Herrn Kunath angerufen, er wusste es bereits, in einer guten Stunde wäre es da. Wir machten einen kleinen Stadtrundgang (Hahnsche Seifenfabrik, Berlishky-Pavillion, Bemalung der Plattenbauten), dabei guckten wir auch nach einem Restaurant: der Italiener bei uns im Hause erschien uns besser als das empfohlene "NoName" (Riesenschnitzel), leider war schon alles reserviert. Doch dann wurde uns doch noch ein Tisch genehmigt, an dem wir in Radlerklamotten aßen, während bereits die ersten feinen Gäste kamen – heute war offensichtlich Neueröffnung.
Dann mussten wir den Tisch räumen, doch unser Gepäck fehlte immer noch. Noch einmal wurde telefoniert: jetzt sollte es in 20 Minuten da sein. Vor dem Haus erwarteten wir den Wagen, der nun wie versprochen um 19:05 Uhr eintraf. Schnell räumten wir ein und duschten, dann ging's ab zum Theater (Beginn 20:00 Uhr). Wir bekamen noch einigermaßen gute Plätze, es war dann auch ausverkauft. Vorher und in der Pause gab es u. a. Riesenbratwurst und Bier vom Fass.

Theater im Park Schwedt

Die Aufführung war allererste Klasse, toll und phantasievoll inszeniert und toll gespielt, hinterher gab es stehende Ovationen. In der Pause wurden Holzscheite in Drahtkörben verbrannt, um die Zuschauer zu wärmen, doch es waren sowieso angenehme Temperaturen.
Nach Ende des Stücks (22:45 Uhr) bekommt man an einem Samstagabend in Schwedt kein Bier mehr. So gingen wir zu Bett, wir hatten ja schließlich in der Pause noch eins bekommen.

o So. 13.7.08 (30 km)
Das Frühstück war in Ordnung, wir waren aber offensichtlich die einzigen Gäste. Der Wirt verlud gleich unser Gepäck (einen Fahrer hatte er bestellt) und verabschiedete uns freundlich. Wir fuhren wieder bis zur Kanalbrücke, ab dort auf der nördlichen Bastion, doch nach 200 Metern wurde der Radweg wg. unseres gestrigen Theater im Park ein wenig umgeleitet. Hinter dem Ort ging es sofort wieder auf den Deich. An der Scheitdammbrücke wechselten wir an einen anderen Kanal, alles sehr gut zu fahren, über die Teerofenbrücke führte der Radweg in den Wald. Hinter Friedrichsthal geht der Kanal in die Westoder über.
Das Städtchen Gartz durchquerten wir (Stadtmauer, Kirchenruine, Rathaus). Zwischen Gartz und Mescherin ist der Oder-Neiße-Radweg ein ungewöhnlich bergiger Waldweg, bevor man Mescherin auf einer Betonplatten-Straße (ebenfalls sehr bergig) durchquert. Hinter Mescherin fuhren wir auf die B113, die einsam und schmal über eine lange gesperrte Brücke die Westoder Richtung Gryfino überquert (mit Radweg, aber fast ohne Autos). Kurz vor Gryfino wird über eine schöne Bogenbrücke auch noch die Ostoder überquert.
Den Bahnhof fanden wir sofort, den richtigen Peron später auch, Beschriftung ist auf polnischen Bahnhöfen Mangelware. Wir hatten eine halbe Stunde Wartezeit auf den (pünktlichen) Zug und stiegen dann prompt mit den Rädern am falschen Ende ein, doch der Zugführer ließ die Räder im Schaffnerraum abstellen.

Schloss der Herzöge Stettin

In Stettin hatten wir ca. dreieinhalb Stunden Zeit, bis der letzte Zug nach Swinemünde abfuhr, das reichte gut für eine ausführliche Stadtbesichtigung. Wir fuhren zunächst am Hafen entlang, rasteten dann auf der Hakenterrasse vor dem Nationalmuseum. Dann fuhren wir weiter zu dem sehr schönen Schloss der Herzöge (frisch renoviert), dort kehrten wir im Innenhof ein. Über das Alte Rathaus mit Rynek und das schöne Postamt kehrten wir zurück zum Bahnhof. Schon beim Aussteigen hatte uns der Schaffner ermutigt, mit den Rädern über die Gleise zu unserem Peron zu fahren und sich so die Treppen zu ersparen. In Deutschland wäre das undenkbar.

Häuser am Rynek Stettin

Der Zug fuhr mit 15 Minuten Verspätung los, die er in Dabie locker auf 35 Minuten ausbaute. Er war brechend voll. Uns störte das nicht, da wir keinen weiteren Termin hatten, und verfolgten in Ruhe die Route auf der Landkarte. Während es in Stettin trocken geblieben war, regnete es unterwegs öfter. In Swinemünde war es wieder trocken.
Der Bahnhof liegt direkt vor der Stadtfähre, wir setzten auf die Usedomer Seite über und fanden auch gleich unser Hotel ("Ottaviano"). Und das Gepäck war auch da, puh! Das Zimmer war sehr schön, aber zur Straße (kleine Fußgängerzone), was sich noch als Nachteil erweisen sollte.
Wir duschten schnell und gingen dann um die Ecke zu unserer Empfehlung, dem "Restauracia Centrala" – mit Jazzmusik und gutem Essen (natürlich Fisch). Dann gingen wir unsere Straße hoch (Monte Cassino), durch den finsteren Stadtpark, auf einen Weg zum Strand bis fast ans Wasser. Die Ostsee und der Strand erstrahlten im besten Abendlicht, so schön, dass einem fast die Tränen kamen. Es war noch unheimlich was los, zwei LKWs waren am Strand, ein Karaokezelt, und auch die Strandpromenade vor den ersten Häusern war sehr voll.

Strand Swinemünde

Wir promenierten bis zur Hauptstraße und gingen an dieser zurück zu unserem Hotel, um dem finsteren Stadtpark zu umgehen. Unterwegs fiel uns ein sehr schönes Restaurant (Kvata Kurna?) ins Auge. Das Abschlussbier tranken wir an der Hotelbar. Schlecht geschlafen wg. Mini-Kopfkissen und lauter Straßenreinigung um fünf Uhr.

o Mo. 14.7.08 (18 km)
Das Frühstück war sehr polnisch (mit sauren Heringen), aber schmackhaft. Vom Tisch aufgestanden machten wir einen Hafenrundgang, auch um Fähren nach Ahlbeck und Misdroje heraus zu finden. Nach Misdroje gäbe es auch einen guten Radweg fernab der Straße wurde uns gesagt (R10).
Dann holten wir die Räder vom Hotel und fuhren Richtung Deutschland. Ein gutes Stück schoben wir über den großen Polenmarkt, bis es doch zu eng wurde. An der Grenze die große Enttäuschung: der ehemals nur für Fußgänger und Radfahrer geöffnete Grenzübergang war jetzt auch für Autos offen. Wir hatten uns schon die ganze Zeit über den starken Autoverkehr Richtung Grenze gewundert. Daher nahmen wir kurz hinter der Grenze lieber den Radweg durch den Wald Richtung Strandpromenade, auch wenn er ein wenig holprig war, dafür aber sehr voll. Bald gelangten wir an die ersten Häuser von Ahlbeck, eins schöner als das andere, und kurz danach standen wir vor der historischen Seebrücke und der schönen Jugendstiluhr.

Seebrücke und Jugendstiluhr Ahlbeck

Wir gingen auf die Seebrücke, besichtigten das Restaurant und fuhren dann immer weiter die durchgehende Strandpromenade bis zur Heringsdorfer und Bansiner Seebrücke, die ebenfalls zu einem Spaziergang einluden. Während eines Regenschauers kehrten wir in Bansin ein, dann kehrten wir zurück nach Swinemünde. Kurz vor der Grenze ist der letzte Haltepunkt der Usedomer Bäderbahn (UBB), hier wollten wir die Fahrkarten nach Berlin kaufen. Das ging jedoch nicht, weil es hier nur UBB-Fahrkarten gab. Dabei sahen wir die Gleise, die weiter nach Swinemünde führten und fragten, wann Eröffnung der Strecke wäre. Letztes Jahr im Dezember, war die Antwort, wäre alles fertig gewesen, doch man könne sich nicht über den Betrieb einigen. Es ist ein umweltpolitisches Trauerspiel, wenn der Autoübergang ohne weiteres geöffnet wird, man sich bei der Bahn aber nicht einig wird.
Unser Hotel bot im Prospekt und an der Rezeption preiswerte Massagen an, doch als wir das tatsächlich in Anspruch nehmen wollten, war kein Masseur aufzutreiben, alle waren überarbeitet. So machten wir einen Nachmittagsschlaf und gingen dann zum Essen in die Marszalka Josefa zum Kvata Kurna, das wir gestern auf dem Rückweg gesehen hatten. Schon bevor unser Essen kam, hörten wir (deutsche) Begeisterungsschreie vom Nebentisch ("die Kartoffeln sind lecker, bis der Arzt kommt"). Uns so war es auch: ich glaube, ich habe noch nie so gute (gekochte) Dillkartoffeln wie dort gegessen. Auch der Fisch war groß und lecker. Zufrieden gingen wir danach an den Strand und beobachteten den Sonnenuntergang. Dann erkundeten wir den Teil der Strandpromenade, den wir gestern nicht geschafft hatten.
Auf dem Rückweg tranken wir im Kvata Kurna noch ein Bier. Im Hotel konnten wir zwar etwas besser schlafen, aber ab fünf Uhr morgens herrschte starker Autoverkehr in der Fußgängerzone.

o Di. 15.7.08 (40 km)
Heute war das Frühstück mächtig abgespeckt, Straßengäste, die hier frühstücken wollten, warfen einen Blick darauf und gingen lieber wieder. Nun, wir wurden satt, danach versuchten wir, unser Zimmer gegen ein rückwärtiges zu tauschen, zumal das Hotel nicht einmal halb voll war. Wir wurden vertröstet, so machten wir einen weiteren Hafenrundgang und fanden diesmal auch die Adler-Linie nach Ahlbeck.
Der Zimmertausch wurde verweigert, es gäbe viele Reservierungen. Wir telefonierten mit unserem Reiseveranstalter, der versprach, sich darum zu kümmern.
Nun schwangen wir uns aufs Rad, zunächst nur bis zur Fähre, danach auf den R10 durch den Wald nach Misdroje. Dieser Radweg war so ziemlich genau das Gegenteil vom Oder-Neiße-Radweg, zwar rundherum auch Natur pur, aber der Waldweg war auch Natur pur, d. h. wir blieben alle Nase lang im Sand stecken und mussten schieben. Dazu kam, dass, wenn man anhielt, man sofort von einem Schwarm riesiger Stechmücken überfallen wurde. Ständige Zeckenwarnungen taten ein übriges. Kurz vor Misdroje war Angelika klar, dass sie diesen Weg auf keinen Fall zurück fahren wolle, zumal hier auch noch schwere Laster durch den Wald kurvten.
Misdroje war auch eine einzige Enttäuschung: völlig überfüllt, man sah nichts von den Schönheiten des Ortes und auf der Seebrücke war ein Fußgängerstau. Auf der Seebrücke war auch Fahrkartenverkauf für die Adler-Linie, doch schon draußen hing ein Schild: heute keine Karten mehr.
Als wir missmutig die Seebrücke auf und ab wandelten, klingelte unser Handy: Herrn Kunath war es zwar auch nicht gelungen, unser Zimmer zu tauschen, dafür bot er uns einen Umzug in die Residenz "Waldoase" in Ahlbeck an. Hocherfreut stimmten wir zu, den Umzug würden wir schon organisiert kriegen.
Da wir inzwischen Hunger bekommen hatten, wollten wir noch schnell ein Fischbrötchen essen, doch in ganz Misdroje fanden wir keins oder entdecken es aufgrund des Rummels nicht. Döner gab es dagegen an jeder Ecke. So guckten wir noch schnell die Handabdrücke polnischer Schauspieler an und machten uns auf den Rückweg entlang der vielbefahrenen Europastraße 65 nach Swinemünde. Einen Radweg gibt es an dieser Straße zwar nicht, aber einen durch eine durchgezogene Linie getrennten Randstreifen, auf dem außer uns auch noch ein paar andere Radfahrer fuhren.
In Swinemünde war unser Hunger so groß, dass wir vor dem Packen erst zum gegenüber liegenden Bäcker gingen. Und siehe da: innen war sogar eine Konditorei mit leckerem Kuchen. Interressanterweise wurde der Kuchen nach Gewicht bezahlt, so wurden wir auch richtig satt. Dann wurde gepackt, ein Taxi fürs Gepäck gerufen und wir fuhren mit den Rädern ein letztes Mal über die Grenze zwischen Swinemünde und Ahlbeck, vorher ergänzte Geli aber noch auf dem Polenmarkt ihre "Garderobe".
Die Waldoase ist das erste Haus von Ahlbeck – von Osten aus gesehen, sehr ruhig im Wald gelegen und in der ersten Reihe (von vorn und von hinten), mit eigenem Strandzugang. Wir bekamen ein sehr gutes Zimmer, in dem wir uns kurz erholten.
Als Höhepunkt zum Wechselbad dieses Tages mit gutem Ausgang fuhren wir zur Seebrücke, um auf ihr in dem schönen Restaurant zu essen. Kurz vor sechs Uhr bekamen wir sogar noch einen Fensterplatz mit Blick auf die Anlegebrücke. Und das Essen (Matjes und Zander) war auch immer noch so gut und preiswert wie früher.
Beim Spaziergang auf der Strandpromenade waren vor der Konzertmuschel Vorbereitungen für eine Tanzvorführung im Gange (Deutsche Tanzkompanie: "Carmina Burana"). Wir bekamen sehr gute Plätze und schauten uns die Aufführung begeistert an.

Carmina Burana Ahlbeck

Zehn Minuten nach Ende rief unser Reiseleiter an und vergewisserte sich, dass alles gut geklappt hatte. Wir flanierten noch ein wenig und kehrten dann vor dem Italiener im Ahlbecker Hof auf ein Bierchen ein. Hier lachten wir herzlich über die unkoordinierten Kellner: Geli bestellte ein zweites Bier, was prompt kam. Eine Minute später kam von der anderen Seite ein zweites, richtig losprusten mussten wir jedoch, als von der selben Seite auch noch ein dritter Kellner mit einem Bier ankam.
In der Waldoase konnten wir sehr ruhig schlafen.

o Mi. 16.7.08 (12 km)
Das Frühstück in der Waldoase war ein Gedicht: nicht nur dass es zum ersten Mal seit langer Zeit wieder frische Brötchen gab, frisches und getrocknetes Obst, Müsli in der besten Form, Rührei mit Speck und viele Bioerzeugnisse bestimmten das Bild. Man wollte gar nicht aufhören, zumal zwei nette Berliner bei uns am Tisch saßen – und es draußen regnete. Den Rest des Regens warteten wir mit einer Zeitung an der Rezeption ab, dann hörte es auf. Wir gingen zu Fuß über Ahlbeck nach Heringsdorf, wo es an einem richtigen Bahnhof DB-Fahrkarten gibt.
Beim Rückweg über die Strandpromenade kehrten wir in einem Imbiss-Restaurant ein, um leckere Fischbrötchen zu essen und einen Schauer auszusitzen.
Am frühen Abend ging's wieder mit dem Rad nach Ahlbeck, wir guckten zuerst auf die Speisekarte der Brasserie des Ahlbecker Hofs, entschieden uns dann aber doch für die "Meereswelle", ein großes Restaurant mit Anklängen von DDR-Charme und hervorragendem Fischangebot. Und: in den vielen Speiseräumen war kurz vor sechs Uhr kein freier Tisch mehr zu bekommen. Doch der Wirt redete uns zu, uns irgendwo dazu zu setzen, was wir auch taten. Heute aßen wir Wels und Zander.

Ahlbecker Hof bei Nacht

Auf dem Rückweg spielte in der Konzertmuschel ein riesiges Akkordeon-Orchester (mit Gesang), der Rest des Konzerts wurde kurz duch einen Regenschauer unterbrochen. In unserem Hotel war heute Grillfest mit Live-Musik, das war noch in vollem Gange, aber drinnen wg. des Wetters. Wir ließen die Räder einschließen und konnten auch die letzte Nacht auf Usedom gut schlafen.

o Do. 17.7.08
Noch ein letztes Mal genossen wir das tolle Frühstück, denn unser Zug fuhr erst kurz nach elf Uhr. Wir gaben Fahrradschlüssel und Gepäcktaschen an der Rezepton ab und machten uns, weil es immer noch so früh war, zu Fuß auf den Weg zum Ahlbecker UBB-Bahnhof. Unterwegs erwischte uns der obligatorische Schauer und kurz vor dem Bahnhof mussten wir noch eine schreckliche Holperstrecke mit unserem Rollgepäck überwinden, dann saßen wir in der modernen UBB.
In Koserow kreiste uns eine Schulklasse ein, doch nach dem Umstieg in Züssow saßen wir wieder komfortabel im Obergeschoss eines Doppelstockwagens. In Berlin kamen wir erstmals im neuen modernen Hauptbahnhof an, und zwar ganz unten, unsere S-Bahn fuhr jedoch ganz oben weiter, so dass wir ihn komplett besichtigen konnten. Am Savigny-Platz stiegen wir aus und gingen zu Fuß über die Goethe- zur Schillerstraße (Pension Brinn). Die nette Wirtin hatte wie angekündigt für die erste Nacht nur das Zimmer mit externer Dusche und WC frei, bot uns aber für morgen einen Umzug in das beste Zimmer an.
Wir ruhten kurz, konnten es aber eigentlich kaum erwarten, unseren Studienkollegen nach über 30 Jahren endlich wiederzusehen. In ihrer schönen Dachgeschosswohnung suchten wir ihn und seine Lebensgefährtin auf, erkannten uns auch sofort wieder und plauderten über alte Zeiten. Zum Essen gingen wir dann ins San Marino am Savigny-Platz, wo auch am Abend noch Komplett-Menüs angeboten wurden.

Im San Marino Berlin

Dabei hatten wir uns so angeregt unterhalten, dass es plötzlich 23 Uhr war, dabei wollten die beiden morgen in Urlaub fahren.
Unglücklicherweise wurde ausgerechnet in dieser Nacht eine Baustelle in dieser ansonsten ruhigen Straße mit Material beliefert (zwischen 3 und 4 Uhr).

o Fr. 18.7.08
So schliefen wir morgens etwas länger und bekamen auch ein sehr gutes Frühstück (mit Zeitung). Draußen regnete es etwas.
Am Savigny-Platz kauften wir uns dann eine Tagesfahrkarte für eine einzige Fahrt – mit einer Linie, die es nicht gab, zu einer Haltestelle, die es nicht gab. Dies war uns per Telefon und Fax von Medusa mitgeteilt worden, ein Musterbeispiel heutiger Kommunikation. Den Rest des Tages wurde nämlich mit dem Auto (bzw. Ruderboot) gefahren.
(Dichterin) Medusas Wohnsitz fanden wir trotzdem aufgund ihrer Adresse, tranken einen grünen Tee, bestaunten das Olympia-Stadion, das man von ihrem Balkon sehen kann, sowie ihr tolles Stevens-Rad. Dann holten wir Dichter Thomas vom Westkreuz ab: ein 38jähriger vom Lande (Potsdam) kann ja nicht so gut umsteigen. Die Gruppe war nun schon ziemlich lustig, doch jetzt wurde der beste Unterhalter abgeholt: Günter, ein 87jähriger Technikfreak aus Moabit. Zusammen fuhr uns Medusa nun zum Tegeler See, wo ein weiterer Dichter (Dietrich) eine Datsche auf der Insel Maienwerder hatte. Medusa hatte Geli zu Ehren ein richtiges Dichtertreffen organisiert.
Zur Insel gab es auch eine Fähre, die unser 87jähriger vielleicht etwas leichter hätte entern können, doch da noch 50 Minuten Wartezeit waren, stiegen wir alle fünf zu Dietrich ins Ruderboot. Unter einem Baum direkt am Wasser wurde eine Kaffeetafel gedeckt, selten haben wir so idyllisch Kaffee getrunken.

Kaffeetafel Maienwerder Berlin

Dietrich musste noch zwei weitere Dichterinnen herüber rudern, eine davon war extra aus Frankfurt/Oder angereist. Zum Abendessen zogen wir uns in das Häuschen zurück und der Kaminofen wurde angeheizt. Zwischendurch wurde ständig gedichtet oder darüber gesprochen, es wurde ein sehr lustiger und geistreicher Abend.
Im Dunkeln musste uns Dietrich schließlich zurück rudern, kurz danach begann es zu regnen und es folgte noch eine abenteuerliche Autofahrt durch die (ziemlich unbeleuchtete) Stadt. In unserem schönen Zimmer konnten wir sehr ruhig mit offenem Fenster schlafen.

o Sa. 19.7.08
Gemütlich gefrühstückt (die vier Damen tranken bereits Sekt) und mit Gepäck zum Savigny-Platz marschiert, von dort mit der S-Bahn zum neuen Hauptbahnhof. Diesmal ging es auf der gleichen Ebene in unseren IC, so dass wir nur eine Ebene tiefer durch die Unterführung mussten. Aber wir kannten ja bereits alle vier Ebenen. Der Zug kam pünktlich, aber der Bahnsteig war brechend voll, so gab es eine kleine Verspätung. Da das Fahrradabteil neben unseren Sitzen lag, konnten wir uns überzeugen, dass tatsächlich alle Fahrradplätze belegt waren. Ich glaube, es hat bis Hannover gedauert, bis sie ihre Räder sortiert hatten. Wir konnten unbeschwert auf zwei nebeneinander liegenden Sitzen Platz nehmen, weil ein freundlicher junger Mann mit meinem Einzelsitz im übernächsten Wagen tauschte.
Ruckzuck waren wir in Hannover und erst in der Heimat-S-Bahn nach Paderborn packten wir unser mitgenommenes Brötchen aus. Voll pünktlich kam der Zug auch in Paderborn an, so dass wir unseren Bus nach Elsen noch lässig gekriegt hätten. Doch was klappt schon auf Anhieb in Paderborn: am Kasseler Tor blieb der Zug einfach stehen, ließ die Sennebahn vor und wartete noch weitere fünf Minuten. Natürlich war der Bus weg. Der einzige Vorteil war, dass nun in Ruhe Kuchen gekauft werden konnte. Dass jetzt noch ein Gewitterschauer kam, den wir sonst schon in Ruhe zu Hause ausgesessen hätten, war weniger schön. Wg. Eröffnung der Paragon-Arena wurden sämtliche Zufahrtsstraßen neu gemacht, so dass der Bus direkt nach Elsen fuhr und wir noch den Schirm aufspannen mussten.

Rast im Oderbruch

o Fazit:
Der Oder-Neiße-Radweg ist vielleicht der schönste Radweg, den wir bisher kennengelernt haben: Natur pur und schöne Städte, dazu die einwandfreie Oberfläche und Ausschilderung des Radwegs. Die Karte (bikeline) braucht man nur für die Sehenswürdigkeiten, weniger zur Orientierung. Das Wetter hätte besser sein können, doch die Lausitzer mussten schließlich die große Trockenheit vom Frühsommer ausgleichen.


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