Eine individuelle organisierte Radtour mit Zugan- und abreise, übernachtet wurde in Hotels. Der Reiseveranstalter war Kunath Reisen.
Teilnehmer: Angelika und Claus
Vorbereitung:
Erst kurz vor Beginn der Sommerferien war klar, dass und wann aus unserer Tour
etwas wurde. Um die Suche nach geeigneten Unterkünften zu erleichtern, vertrauten
wir uns einem Reiseveranstalter an, nachdem wir im südlichen Ostfriesland mit
einer ähnlich individuell organisierten Reise sehr zufrieden waren. So war es auch
diesmal, ein geänderter Tourbeginn und eine Verlängerung auf Usedom war für den
Veranstalter kein Problem.
Beim Planen der Anreise (per Bahn) traten die ersten Schwierigkeiten auf: eine gute
Verbindung von Paderborn nach Görlitz oder Zittau gibt es nicht, es deutete sich eine
Wochenendticket-Fahrt mit sechs-/siebenmaligem Umsteigen an. Auf der Rückfahrt wollten
wir einen Stopp in Berlin einlegen. Von Usedom nach Berlin kommt man gut (Umsteigen
in Züssow), von Berlin nach Paderborn ebenfalls. Hier war ein IC im Spiel, ich buchte
die Fahrkarten im Internet, Fahrradkarten geht aber noch nicht, also musste ich doch
noch zum Bahnhof. Und Überraschung: die Fahrradplätze unseres Zuges waren vollständig
ausgebucht. Jetzt bewährte sich unser Reiseveranstalter zum ersten Mal: ein kurzer
Anruf und wir bekamen Leihräder für die Tour (und für die Verlängerung auf Usedom).
Anreisen mit Gepäcktaschen und ohne Fahrräder ist auch blöd, so buchten wir auch noch
Gepäcktransfer nach und konnten normale Koffer vollpacken.
Das Kartenmaterial für die Tour war das bikeline-Radtourenbuch des Oder-Neiße-Radwegs.
Obwohl ich eine sehr neue Ausgabe von 2006 mitgenommen hatte, bekamen wir vom
Veranstalter vor Beginn die brandneue Ausgabe von 2008. Wie sich unterwegs heraus
stellte, braucht man die Karte nicht so sehr zur Orientierung (der Radweg ist
hervorragend ausgeschildert), sondern um keine der Sehenswürdigkeiten zu verpassen,
die manchmal auch etwas abseits des Radwegs sind.
Sa. 5.7.08
Wie gesagt gibt es keine gute Verbindung von Paderborn nach Görlitz, weder über Kassel
noch über Göttingen (selbst über Hannover wurde angeboten). Wir entschieden uns für
eine Fahrt über Göttingen, da es von dort einen längeren RE bis nach Sachsen gab.
Dazu mussten wir allerdings um 5:45 Uhr aufstehen. Die erste Hürde wartete am Bahnhof:
der Fahrkartenautomat nahm unser Geld willig, orgelte und beleuchte die Ausgabe –
doch eine Fahrkarte kam nicht. Reisezentrum und Bahnaufsicht war natürlich noch
geschlossen, das Geld war weg, was nun? Voller Wut trat ich gegen den Automat –
da fiel die verklemmte Karte herunter. Beruhigt stiegen wir in den pünktlichen Zug.
Doch bereits am Ortsrand von Paderborn blieb der Zug stehen: wg. eines angeblichen
Gleisbruchs (hier waren gerade vor einer Woche Gleisbauarbeiten) wäre die Strecke
nur eingleisig befahrbar und wir müssten auf Gegenzüge warten. Der Zug in Ottbergen,
unserem ersten Umsteigepunkt, könne allerdings nicht warten, so dass ein zweistündiger
Aufenthalt in dieser Weltstadt erforderlich würde. Unmut wurde unter den Fahrgästen
laut, es wurde mit Rechtsanwalt gedroht, auch wir bettelten die Zugbegleiterin, ob der
andere Zug nicht doch warten könne, weil wir sonst heute das andere Ende von
Deutschland nicht mehr erreichen würden. Nach endlos erscheinender Warterei setzte
sich der Zug wieder in Bewegung und fuhr auf dem anderen Gleis weiter. Und plötzlich
eine Durchsage: der Zug in Ottbergen würde doch warten. Puh!
Nun, die Insassen dort waren ziemlich genervt, doch der Zug holte deren Verspätung
bis Göttingen fast wieder auf, so dass alle Anschlüsse (auch unserer) erreicht werden
konnten. Die längere Fahrt im RE bis Glauchau war sehr angenehm, eine Dozentin aus
Göttingen empfahl uns, sogar erst in Chemnitz umzusteigen, weil hier die Wartezeit
(50 Min.) leichter zu verbringen wäre. So machten wir es, tranken in Chemnitz Kaffee
und genossen dann die schöne Fahrt durch das Erzgebirge nach Dresden. Auch die letzte
Strecke über Bautzen nach Görlitz verlief problemlos, alle Züge waren gekühlt, so
dass wir nach den Schrecken am Anfang doch noch gut und pünktlich ankamen.
Vom Bahnhof gingen wir zu Fuß zum Hotel "Salesia" (heute Hochzeit) und machten dann
einen ersten Spaziergang durch die Stadt, wobei man am besten durch den schönen
Bahnhof von Görlitz geht (wann schließt der wohl abends?). Görlitz hat viele Türme,
ein Kloster, ein schönes Rathaus (mit Sommerbühne davor) und ein wunderbares
Jugendstil-Kaufhaus (hertie), so viel sahen wir bis jetzt. Doch wir waren mit unserem
Reiseleiter, Herrn Kunath, verabredet und bekamen auch langsam Hunger. Er war sogar
schon vor uns da und begann die Erklärung der Reise im Hochzeitsrummel. Doch kurze Zeit
später kam sein Essen, so dass wir erst einmal in Ruhe die Leihräder inspizierten:
es waren gut gepflegte Peugeot-Räder, die uns dann bis zum Ende der Tour treu und
ohne jegliche Panne begleiteten.
Nach seinem Essen gingen wir in einigen ruhigeren Raum und er setzte die Erklärung der
Tour fort und übergab uns eine Menge Infomaterial. Inzwischen war es halb neun und
unser Magen knurrte hörbar. Trotz einsetzender Kühle setzten wir uns lieber nach
draußen, denn der Alleinunterhalter der Hochzeit (Achim Mentzel?) war nicht ganz
unser Geschmack. Am Nachbartisch saß ein junger Russe mit zwei dünn bekleideten
jungen Damen, denen dann Decken gereicht wurden.
Es gab Fischspieße und Landskron-Bier (KULTur-Brauerei). Trotz unseres
sehr ruhigen Zimmer (von der Hochzeit hörte man nichts) schliefen wir schlecht in
der ersten Nacht.
So. 6.7.08 (55 km)
Es gab ein sehr gutes Frühstück, das Haus war ziemlich voll, viele Radler, aber auch
der Russe mit den Kurzberockten. Wir packten etwas für den Ausflug nach Zittau
zusammen und fuhren zuerst an die B99 bis Weinbühel, wo auch der Radweg verläuft.
Nachdem man durch den Ort geführt wird, kommt man noch einmal kurz an die Bundesstraße,
wo wir eine Abstecher an der Berzdorfer See machten, der ein ehemaliges Tagebau-Gelände
ist und jetzt langsam mit Wasser gefüllt wird. Bis Hagenwerder fährt man dann auf
einem angenehmen neuen Radweg etwas entfernt von der B99, allerdings machten uns
bereits die böhmischen Fallwinde (starker Südwind) zu schaffen. Hinter dem Ort fuhren
wir über die Grenzbrücke (ohne jegliche Bewachung, daran mussten wir uns erst
gewöhnen) und besichtigten von außen ein prächtiges Barockschloss (Radomierzyce).
Den Schlossgraben kann man komplett umrunden.
Dann durchquert man Leuba und Ostritz, bevor man vor der Pforte von Klosterstift
St. Marienthal steht. Hier kehrten wir erst mal in die Klosterschenke ein. Der Radweg
führt mitten durch die Klosteranlage, wir schauten uns die Klosterkirche an.
Danach folgt das schönste Stück des Radwegs nach Zittau: eine Fahrt in der Neiße-Schlucht durch den Mittleren Steinberg. In Hirschfelde (Industriemuseum) endet dieses schöne Stück und den Rest geht's an der B99 (mit Gegenwind) bis Zittau hinein. Die Innenstadt erreichten wir bei der Frauenkirche, dann sind wir ins Kulturlokal (Eilemer?) in den Biergarten eingekehrt und sammelten Kräfte für die Innenstadtbesichtigung mit Großem Fastentuch. Marstall, Rathaus und Frauenstraße waren die Stationen bis zum Großem Fastentuch. Kultur macht hungrig, so verspeisten wir noch auf dem Friedhof um diese Museumskirche unser mitgebrachtes Brötchen. So gestärkt bestiegen wir den 266 Stufen hohen Johanniskirchturm, von wo man eine hervorragende Aussicht über die Stadt und die Zittauer Berge hat.
Nun gab es noch ein Eis zum Nachtisch, die Fahrt zum Dreiländereck ersparten wir uns,
sondern fuhren direkt zum Bahnhof, von wo uns die Lausitzbahn entlang des (ehemaligen)
Tagebaus, eines Kraftwerks und durch schlagende Büsche zurück nach Görlitz brachte.
Nach einer kurzen Ruhepause versuchten wir, zu Fuß entlang der Neiße in die Stadt
zu kommen. Dabei hat man eine schöne Aussicht auf das (unbenutzte) Eisenbahn-Viadukt
nach Polen. Der Weg war jedoch insgesamt zu weit und wir beschlossen, das morgen mit dem
Rad zu erledigen.
Während wir am Schwibbogen zu Abend aßen, kamen bestimmt über
fünfzig verkleidete Schauspieler und Musiker
aus allen Richtungen vorbei, denn heute war eine
Freilichtaufführung auf der Bühne vor dem Rathaus. Auch sechs Pferde wurden
herangefahren und etwas verkleidet. Bis kurz vor der Vorstellung lungerten wir
an der Theaterkasse herum, denn es gab noch Karten (insgesamt waren es 300
Schauspieler), doch das Stück dauerte drei Stunden und am Himmel zogen bedrohliche
Wolken auf. So verwarfen wir diese Idee und das war auch gut so, denn das Stück
musste später abgebrochen werden.
Wir gingen zur Neiße runter und um die auf einem
Neißefelsen stehende Kirche St. Peter und Paul herum, um dann noch ein bisschen beim
Sommertheater zu spinxen (die ganze Bühne war voll), da begann es zu tröpfeln. Im
Schweinsgalopp ging es nun über den Postplatz in den Bahnhof. Als wir ihn auf der
anderen Seite verließen, regnete es bereits stärker und etwas durchnässt kamen wir
im Hotel auf ein letztes Landskron an. Diesmal konnten wir in unserem ruhigen Zimmer
gut schlafen.
Mo. 7.7.08 (15 km)
Wieder gab es das gute Frühstück, doch heute war das Haus wesentlich leerer. Das
Wetter war wieder gut, wir fuhren mit dem Rad in die Innenstadt. Am Obermarkt begann
gerade eine Stadtführung, das kam uns sehr gelegen, zumal der Führer ein
wortgewandter Buchhändler und Autor (Vater) eines Görlitz-Buchs war.
Dreifaltigkeitskirche, Hallenhäuser, Portale, Schlesisches Museum, Rathaus, Sonnenuhren,
Flüsterbogen uns St. Peter und Paul waren die Höhepunkte der Tour. Kurz nach
Ende der Führung gab es einen Schauer, den wir zu einer Kaffeepause im Sonnenuhrhaus
nutzten. Auf dem Rückweg besuchten wir ausgiebig das schöne Jugendstil-Kaufhaus.
Nach dem Mittagsschlaf ging's wieder auf die Räder, diesmal runter zur Neiße, über
die Autobrücke ins Zentrum von Zgorzelec (polnische Seite), zurück über die
Doscynskiego zur Fußgängerbrücke. Zuerst in der Vierraden- (deutsch), dann in der
Dreiradenmühle (polnisch) eingekehrt, hier gab es schlesisches Bier. In der schönen
Peterstraße kauften wir zuerst eine Taschen-Sonnenuhr und kehrten dann im
St. Jonathan ein: es gab eine leckere Mediterrane Fischpfanne, ein guter Tipp.
Anschließend machten wir einen Spaziergang durch das uns bisher unbekannte
Nikolai-Viertel mit der nördlichen Stadtmauer. Der Weg zurück mit dem Rad war ein
Kurztrip gegen den Fußmarsch gestern.
Di. 8.7.08 (83 km)
Vor der heutigen längsten Etappe waren wir etwas aufgeregt und schon früh wach. Noch
ein letztes Mal genossen wir das leckere Frühstück (bis Ahlbeck auf Usedom sollte es
dann auch wirklich nur noch Aufbackbrötchen geben). Als wir gerade mit dem Packen
fertig waren, war auch Herr Kunath angekommen, brachte uns Radtaschen, ein Hemd und
einen neuen Fahrradständer mit und nahm unser Gepäck für den Transport in Empfang. Mit
guten Wünschen fuhren wir los, das Zentrum passierten wir entlang der Neiße, über eine
kleine Anhöhe (Ziegeleiweg) verließen wir die Stadt. Hinter Klingewalde ein Stück an
der Straße, dann kamen kleine, fast verkehrsfreie Straßen bis Ober-Neundorf und Zodel.
Da ein Schauer drohte, stellten wir uns am Ortsanfang von Deschka kurz unter und
erfuhren von einer Einheimischen, wie sie die Grenzöffnung nach Polen sieht. Es folgte
ein schönes Stück Feld und Wald, immer mit perfekt geteerter Oberfläche. Zur
Kulturinsel Einsiedel ("Mit Kindern broochste gor nich weiter fohrn") wird man extra
aus dem Wald herausgeführt, ein riesiger, künstlerisch gestalteter Erlebnispark mit
Baumhaus-Hotel.
Vor Rothenburg fährt man ein ganzes Stück direkt an der Neiße entlang, das war bislang
noch ungewohnt. Dabei kommt man an der (ehem.) Tornheimer Brücke vorbei, ein Mahnmal
vom 2. Weltkrieg. Bis Lodenau geht es dann zwar an der Straße entlang, doch der Radweg
war meistens gut abgetrennt. Den Abstecher ins Luftfahrtmuseum ersparten wir uns, danach
fuhren wir wieder durch die Neiße-Auen. An einem Rastplatz trafen wir ein norwegisches
Paar, das hier ebenfalls auf dem Oder-Neiße-Radweg unterwegs war.
In Podrosche kehrten wir auf eine Apfelschorle ein, die Wirtin hatte ein Radler- und
Wandererbuch, in das sich jeder eintragen musste. Die Fachwerkkirche von Pechern sahen
wir schon vorher als Modell und dann in echt. Vor der Kirche gab es Kirschen –
zum Selbst-Abwiegen und mit Geldeinwurf, eine leckere Sache.
Die Radwege durch die
Muskauer und Pechernsche Heide waren einfach wunderbar, 1A geteert. Im schönen Sagar
fanden wir sogar die Abkürzung nach Krauschwitz, wo unser Hotel lag, dies war die
einzige nicht geteerte Strecke bisher, doch auch gut zu fahren, ein Waldweg mit Senke.
150 Meter neben dem (Fürst-Pückler-) Hotel kamen wir in Krauschwitz an die Straße,
im selben Moment
kam ein Schauer runter – wieder mal Glück gehabt! Wir bezogen ein ruhiges Zimmer,
duschten und genehmigten uns dann (auf der Terrasse)
ein Fürst-Pückler-Eis, das im Hotel selbst hergestellt
wird.
Dann fuhren wir mit dem Rad in die Stadt Bad Muskau in den Fürst-Pückler-Park, der
am besten mit dem Rad erkundet wird, so weitläufig ist er. Orangerie, Schloss-Vorwerk,
Altes und Neues
Schloss waren die Höhepunkte, aber auch die Doppelbrücke zur polnischen Seite, wo der
Park weitergeht (Prinzenbrücke, Pückler-Stein). Das Neue Schloss wird noch
intensiv restauriert, frühere Besucher
erzählten, dass sie nur Außenwände hatten stehen sehen.
Zurück fuhren wir durch die
Stadt (eher langweilig) zum Hotel. Beim Essen trafen wir die Norweger wieder, sie
waren im selben Hotel. Das leckere Essen wurde bei mir durch ein Zahnunglück getrübt,
doch entgegen meinen Erwartungen hatte es keinen weiteren Einfluss auf unseren Urlaub.
Ich konnte gut schlafen und bekam keine Zahnschmerzen ...
Mi. 9.7.08 (69 km)
Das Fürst-Pückler-Frühstück war gut (bis auf die Brötchen), wir verabschiedeten uns
"endgültig" von den Norwegern. Doch schon am Parkanfang trafen wir sie wieder. Zunächst
führte der Radweg entlang der Neiße durch den Park, dann folgten wunderschöne Radwege
zwischen Jerischker Wald und Neiße. Vorbei an der Grenzerquelle erreichten wir zwei
Käsereien bei Pusack und hinter Klein-Bademeusel
ging es zum ersten Mal auf den Deich.
Nach einem weiteren Schauer fuhren wir zurück zur Egelneiße und verließen entlang des Plastinariums die Stadt, ein Stück Deich, bis man an die B112 kommt. Hier verließen wir den Oder-Neiße-Radweg, um zu unserem Hotel Waldow zu gelangen. Es war ein Familien- und Wellness-Hotel, zur Begrüßung gab eis ein Glas Sekt, dafür kostete die Wellness (Swimmingpool, Sauna ...) Eintritt. Das Essen war hier besonders lecker, Medallions mit Bratkartoffeln, da die Kartoffeln aus eigenem Anbau waren (die besten Bratkartoffeln der gesamten Tour). Leider war es nachts nicht ganz leise, da eine Waschmaschine durchlief.
Do. 10.7.08 (68 km)
Das Frühstück war auch nicht so gut wie anderswo, von den Aufbackbrötchen ganz
abgesehen. Aber viele Radler bevölkerten das Hotel. Zusammen mit einer größeren
jungen Radlergruppe fuhren wir auch los, in Bresinchen gelangten wir wieder auf
den Oder-Neiße-Radweg und in Coschen wieder direkt an die Neiße. An der Neiße-Mündung
trafen wir uns alle wieder, es ist eine eindrucksvolle (und geschichtsträchtige)
Mündung.
Wir beide fuhren nun weg von der Oder, über eine leere Kreisstraße nach Wellnitz und
Neuzelle, auf letzterem Stück gab es wenigstens landwirtschaftlichen Verkehr. Entlang
der B112 fährt man nach Neuzelle hinein, doch gleich am Ortanfang geht ein Radweg zum
Kloster ab. Wir besichtigten als erstes die Stiftskirche ("Barockwunder"), dann den
steilen Klostergarten (erinnert an Sancoussi) und die Kirche zum Heiligen Kreuz mit
einer sehenswerten Kuppel.
Zurück zum Oder-Neiße-Radweg ging es zunächst sehr unkomfortabel über russische
Betonplatten (mit Eisenhenkel oben), bis Eisenhüttenstadt folgt dann ein sehr ruhiges
Stück auf dem Deich. Wir überquerten den Oder-Spree-Kanal, das alte Stadtzentrum von
Fürstenberg ist sehr ansehlich (Nikolaikirche, Rathaus). Kurz hinter der Stadt ging
es wieder an bzw. auf den Deich (mit 100-Meter-Markierungen).
In Aurith kehrten wir im Bauernstübchen ein, es gab leckeren Apfel und Quarkstrudel.
Weiter ging's auf dem Deich mit schöner Oderaussicht bis Brieskow-Finkenheerd (wir
guckten auch nicht in die Pflanzgefäße), ab hier ging es auf einem Radweg an der
Straße nach Frankfurt/Oder hinein. Bereits vor dem Zentrum lag unser schönes Hotel
("Zur Alten Oder"). Nach einem kurzen (Nach-) Mittagsschlaf gingen wir zu Fuß über
die Oderinsel Ziegenwerder (gestalteter Park) zum Stadtzentrum. Die Marienkirche
war zum Glück noch offen, da heute Abend darin (Kleist-Stadt Frankfurt) "Der
zerbrochene Krug" aufgeführt und vom rbb aufgenommen werden sollte. So konnten wir
noch einen Blick auf die berühmten Kirchenfenster und den gewaltigen Innenraum
werfen.
Stadtbild-beherrschend war der Oderturm (Hochhaus) und die Lenne-Passage,
dort kehrten wir ein. Duch den Lennepark spazierte ich alleine, da Geli noch ein
wenig ausruhen wollte, bevor wir über die älteste Straße der Stadt, die Fischerstraße,
zum Hotel zurück gingen. Zu Abend wollten wir in unserem Hotel essen, es war aber
so voll, dass wir kaum einen Tisch bekamen (ein gutes Zeichen). Im Fernsehen guckten
wir dann noch die Wettervorhersage: für morgen sehr schlecht!
Fr. 11.7.08 (28 km)
Aufgewacht sind wir allerdings mit Sonnenschein. Doch schon beim sehr guten (frühen)
Frühstück verfinsterte sich die Sonne und bevor wir auf den Rädern saßen, gab es den
ersten Schauer. Zwar konnten wir trocken losfahren, aber schon auf Ziegenwerder
mussten wir den ersten Unterstand aufsuchen: zwei starke Gewitter tosten um uns
herum. Ein 81jähriger Angler erzählte interessant vom 2. Weltkrieg und der DDR-Zeit.
Dann fuhren wir etwas weiter, doch schon am nächsten Unterstand ereilte uns das
nächste Gewitter. Danach fuhren wir sofort zum Bahnhof, der in Frankfurt auf einem
Berg liegt. Und wir hatten Glück: in sechs Minuten fuhr ein Zug mit Umsteigen nach
Küstrin, das 22 km vor unserem heutigen Ziel (Groß-Neuendorf) liegt. Und schon beim
Umsteigen in Werbig schien wieder die Sonne.
In Küstrin-Kietz (blöde Bahnhofsbrücke) gab es bei Besichtigen der Festung Küstrin zwar noch einen letzten Schauer, doch dann konnten wir trocken durch den wildromantischen Oderbruch bis nach Groß-Neuendorf fahren – immer am oder auf dem Oderdeich entlang.
In Kienitz kehrten noch einmal im "Alten Hafen" ein, dabei überholten uns Bekannte, die erst mittags in Frankfurt losgefahren waren und trotzdem viel Regen hatten. Vor Groß-Neuendorf sah man schon von weitem das restaurierte Maschinenhaus, noch größer war die Überraschung im Inneren: hier hatte ein hervorragender Innenarchitekt gewaltet: das schönste Zimmer der Tour (und wir hatten viele schöne Zimmer) mit herrlicher Oderaussicht.
Nach einem kurzen Mittagsschlaf machten wir einen Ortsrundgang bis zum Storchennest und jüdischen Friedhof. Die Sonne stach und wir kehrten auf der Außenterrasse des Maschinenhauses ein. Jetzt zog ein Gewitter auf und das Abendessen nahmen wir lieber drinnen ein. Schade dass nur wenige Gäste hier waren (beim Essen waren wir die einzigen). Nach dem Gewitter kam noch einmal die Sonne raus, was uns zu einem Abendspaziergang auf den Deich einlud. In dem schönen Hotel haben wir auch hervorragend geschlafen.
Sa. 12.7.08 (60 km)
Strahlender Sonnenschein und ein gutes Frühstück erwarteten uns, auch Geli ging es
wieder gut. Dann gaben wir unser Gepäck ab und fuhren "vor der Haustür" auf den Deich.
Auf 28 km Länge sollte keine Ortschaft mehr kommen – nur wunderschöner Oderbruch.
An der Zollbrücke, die Brücke steht nicht mehr, vier bis fünf Häuser, das "Theater
am Rande" (Zelt und Freilichtbühne) angeguckt, dann ging es weiter auf dem Deich
westwärts bis Neuglietzen.
Gleich am Ortsanfang war eine große Freilichtbühne für ein Rockfestival aufgebaut,
wir kehrten vor dem "Fuchsbau" ein und konnten den Soundcheck der "Männer" mit
anhören, genau unser Musikgeschmack.
Außerdem gab es hier die billigsten Getränke im ganzen Osten. Neuglietzen
geht in Hohenwutzen über (viele Störche), dann folgt eine Deichstraße bis Hohensaaten.
Von der Alten Oder geht hier ein Kanal (Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße)
ab.
Nach einer Rast war plötzlich der Deichweg durch einen Zaun abgesperrt und die
Radfahrer wurden unfreundlich aufgefordert, die Umleitung zu benutzen (die natürlich
nicht ausgeschildert war). Zum Glück kann man sich zwischen Oder und Wasserstraße
kaum verfahren, allerdings folgten bei Lunow 2,2 km russische Panzerplatten, sehr
unangenehm. Dann hatte der Radweg wieder das normale gute Niveau, und von weitem
sah man auch schon den dicken Stolper Turm, den im 13. Jahrhundert die Dänen
hinterlassen haben.
Wir wollten den Turm besteigen, doch er war geschlossen, aber
er hat eine Außentreppe bis auf halbe Höhe, von wo man schon eine wunderbare Aussicht
auf den Nationalpark Unteres Odertal hat. Auf der südlichen Kanalseite geht der
Radweg (Stolpe liegt nördlich) weiter nach Criewen, das ebenfalls einen schönen
Lenne-Park aufweist. Mittendrin ein Schloss und die alte Dorfkirche, der Rest des
Orts wurde bei der Errichtung des Parks umgesiedelt. Außerdem ist in Criewen das
Nationalpark-Zentrum, dessen Besuch sehr zu empfehlen ist.
Anschließend tranken wir nebenan Kaffee und aßen Eis.
Wegen Deichbau folgte jetzt
ein Stück Straße über Zützen Richtung Schwedt, kurz vor der B2 sind wir dann doch auf
den (noch nicht fertigen) Deich gebogen und erst über die Schöpfwerkbrücke wieder
auf der Schwedter Seite gefahren. Der Radweg führt durch eine feine Siedlung in die
Stadt, dann geht's am Kanalufer (Bastion) bis zur Hauptbrücke. Über die
Vierradener Straße wollten wir bis zu unserem Hotel ("Am Stadtpark"), doch rechts
lag die ev. Stadtkirche St. Katharinen, war offen und wurde besichtigt. Beim Lesen
der Info wurde eine Aussichtsplattform erwähnt und auf unsere Nachfrage schloss uns
eine Frau den Kirchturm auf. Nach einem aufregenden Aufstieg hatten wir eine tolle
Übersicht, vor allem beeindruckte uns das ubs (Uckermärkische Bühnen Schwedt) und
die Petrol-Industrie (brennend) am Stadtrand.
Nach dem Abstieg fuhren wir noch mal zum Theater zurück, um uns über eventuelle
Vorführungen zu informieren: heute war Theater im Park ("Was ihr wollt" als Musical)
und es gab noch Karten. Dann ging's endlich zum Hotel, das schon bessere Tage
gesehen hatte. Die absolute Überraschung aber war:
unser Gepäck war nicht da! Bei Herrn Kunath angerufen, er wusste es bereits, in einer
guten Stunde wäre es da. Wir machten einen kleinen Stadtrundgang (Hahnsche
Seifenfabrik, Berlishky-Pavillion, Bemalung der Plattenbauten), dabei guckten wir
auch nach einem Restaurant: der Italiener bei uns im Hause erschien uns besser
als das empfohlene "NoName" (Riesenschnitzel), leider war schon alles reserviert.
Doch dann wurde uns doch noch ein Tisch genehmigt, an dem wir in Radlerklamotten aßen,
während bereits die ersten feinen Gäste kamen – heute war offensichtlich
Neueröffnung.
Dann mussten wir den Tisch räumen, doch unser Gepäck fehlte immer noch. Noch einmal
wurde telefoniert: jetzt sollte es in 20 Minuten da sein. Vor dem Haus erwarteten
wir den Wagen, der nun wie versprochen um 19:05 Uhr eintraf. Schnell räumten wir ein
und duschten, dann ging's ab zum Theater (Beginn 20:00 Uhr). Wir bekamen noch
einigermaßen gute Plätze, es war dann auch ausverkauft. Vorher und in der Pause
gab es u. a. Riesenbratwurst und Bier vom Fass.
Die Aufführung war allererste Klasse, toll und phantasievoll inszeniert und toll
gespielt, hinterher gab es stehende Ovationen. In der Pause wurden Holzscheite
in Drahtkörben verbrannt, um die Zuschauer zu wärmen, doch es waren sowieso angenehme
Temperaturen.
Nach Ende des Stücks (22:45 Uhr) bekommt man an einem Samstagabend in Schwedt kein
Bier mehr. So gingen wir zu Bett, wir hatten ja schließlich in der Pause noch eins
bekommen.
So. 13.7.08 (30 km)
Das Frühstück war in Ordnung, wir waren aber offensichtlich die einzigen Gäste. Der
Wirt verlud gleich unser Gepäck (einen Fahrer hatte er bestellt) und verabschiedete
uns freundlich. Wir fuhren wieder bis zur Kanalbrücke, ab dort auf der nördlichen
Bastion, doch nach 200 Metern wurde der Radweg wg. unseres gestrigen Theater im Park
ein wenig umgeleitet. Hinter dem Ort ging es sofort wieder auf den Deich. An der
Scheitdammbrücke wechselten wir an einen anderen Kanal, alles sehr gut zu fahren, über
die Teerofenbrücke führte der Radweg in den Wald. Hinter
Friedrichsthal geht der Kanal in die
Westoder über.
Das Städtchen Gartz durchquerten wir (Stadtmauer, Kirchenruine,
Rathaus). Zwischen Gartz und Mescherin ist der Oder-Neiße-Radweg ein ungewöhnlich
bergiger Waldweg, bevor man Mescherin auf einer Betonplatten-Straße (ebenfalls sehr
bergig) durchquert. Hinter Mescherin fuhren wir auf die B113, die einsam und schmal
über eine lange gesperrte Brücke die Westoder Richtung Gryfino überquert (mit Radweg,
aber fast ohne Autos). Kurz vor Gryfino wird über eine schöne Bogenbrücke auch noch
die Ostoder überquert.
Den Bahnhof fanden wir sofort, den richtigen Peron später auch,
Beschriftung ist auf polnischen Bahnhöfen Mangelware. Wir hatten eine halbe Stunde
Wartezeit auf den (pünktlichen) Zug und stiegen dann prompt mit den Rädern am falschen
Ende ein, doch der Zugführer ließ die Räder im Schaffnerraum abstellen.
In Stettin hatten wir ca. dreieinhalb Stunden Zeit, bis der letzte Zug nach Swinemünde abfuhr, das reichte gut für eine ausführliche Stadtbesichtigung. Wir fuhren zunächst am Hafen entlang, rasteten dann auf der Hakenterrasse vor dem Nationalmuseum. Dann fuhren wir weiter zu dem sehr schönen Schloss der Herzöge (frisch renoviert), dort kehrten wir im Innenhof ein. Über das Alte Rathaus mit Rynek und das schöne Postamt kehrten wir zurück zum Bahnhof. Schon beim Aussteigen hatte uns der Schaffner ermutigt, mit den Rädern über die Gleise zu unserem Peron zu fahren und sich so die Treppen zu ersparen. In Deutschland wäre das undenkbar.
Der Zug fuhr mit 15 Minuten
Verspätung los, die er in Dabie locker auf 35 Minuten ausbaute. Er war brechend voll.
Uns störte das nicht, da wir keinen weiteren Termin hatten, und verfolgten in Ruhe die
Route auf der Landkarte. Während es in Stettin trocken geblieben war, regnete es
unterwegs öfter. In Swinemünde war es wieder trocken.
Der Bahnhof liegt direkt vor der Stadtfähre, wir setzten auf die Usedomer Seite über
und fanden auch gleich unser Hotel ("Ottaviano"). Und das Gepäck war
auch da, puh! Das Zimmer war
sehr schön, aber zur Straße (kleine Fußgängerzone), was sich noch als Nachteil
erweisen sollte.
Wir duschten schnell und gingen dann um die Ecke zu unserer Empfehlung, dem "Restauracia
Centrala" – mit Jazzmusik und gutem Essen (natürlich Fisch). Dann gingen wir
unsere Straße hoch (Monte Cassino), durch den finsteren Stadtpark, auf einen Weg zum
Strand bis fast ans Wasser. Die Ostsee und der Strand erstrahlten im besten
Abendlicht, so schön, dass einem fast die Tränen kamen. Es war noch unheimlich was
los, zwei LKWs waren am Strand, ein Karaokezelt, und auch die Strandpromenade vor
den ersten Häusern war sehr voll.
Wir promenierten bis zur Hauptstraße und gingen an dieser zurück zu unserem Hotel, um dem finsteren Stadtpark zu umgehen. Unterwegs fiel uns ein sehr schönes Restaurant (Kvata Kurna?) ins Auge. Das Abschlussbier tranken wir an der Hotelbar. Schlecht geschlafen wg. Mini-Kopfkissen und lauter Straßenreinigung um fünf Uhr.
Mo. 14.7.08 (18 km)
Das Frühstück war sehr polnisch (mit sauren Heringen), aber schmackhaft. Vom Tisch
aufgestanden machten wir einen Hafenrundgang, auch um Fähren nach Ahlbeck und Misdroje
heraus zu finden. Nach Misdroje gäbe es auch einen guten Radweg fernab der Straße
wurde uns gesagt (R10).
Dann holten wir die Räder vom Hotel und fuhren Richtung Deutschland. Ein gutes Stück
schoben wir über den großen Polenmarkt, bis es doch zu eng wurde. An der Grenze die
große Enttäuschung: der ehemals nur für Fußgänger und Radfahrer geöffnete Grenzübergang
war jetzt auch für Autos offen. Wir hatten uns schon die ganze Zeit über den starken
Autoverkehr Richtung Grenze gewundert. Daher nahmen wir kurz hinter der Grenze lieber
den Radweg durch den Wald Richtung Strandpromenade, auch wenn er ein wenig holprig
war, dafür aber sehr voll. Bald gelangten wir an die ersten Häuser von Ahlbeck, eins
schöner als das andere, und kurz danach standen wir vor der historischen Seebrücke und
der schönen Jugendstiluhr.
Wir gingen auf die Seebrücke, besichtigten das Restaurant
und fuhren dann immer weiter die durchgehende Strandpromenade bis zur Heringsdorfer
und Bansiner Seebrücke, die ebenfalls zu einem Spaziergang einluden. Während eines
Regenschauers kehrten wir in Bansin ein, dann kehrten wir zurück nach Swinemünde.
Kurz vor der Grenze ist der letzte Haltepunkt der Usedomer Bäderbahn (UBB), hier
wollten wir die Fahrkarten nach Berlin kaufen. Das ging jedoch nicht, weil es hier
nur UBB-Fahrkarten gab. Dabei sahen wir die Gleise, die weiter nach Swinemünde
führten und fragten, wann Eröffnung der Strecke wäre. Letztes Jahr im Dezember,
war die Antwort, wäre alles fertig gewesen, doch man könne sich nicht über den
Betrieb einigen. Es ist ein umweltpolitisches Trauerspiel, wenn der Autoübergang
ohne weiteres geöffnet wird, man sich bei der Bahn aber nicht einig wird.
Unser Hotel bot im Prospekt und an der Rezeption preiswerte Massagen an, doch als
wir das tatsächlich in Anspruch nehmen wollten, war kein Masseur aufzutreiben, alle
waren überarbeitet. So machten wir einen Nachmittagsschlaf und gingen dann zum Essen
in die Marszalka Josefa zum Kvata Kurna, das wir gestern auf dem Rückweg gesehen
hatten. Schon bevor unser Essen kam, hörten wir (deutsche) Begeisterungsschreie vom
Nebentisch ("die Kartoffeln sind lecker, bis der Arzt kommt"). Uns so war es auch:
ich glaube, ich habe noch nie so gute (gekochte) Dillkartoffeln wie dort
gegessen. Auch der
Fisch war groß und lecker. Zufrieden gingen wir danach an den Strand und beobachteten
den Sonnenuntergang. Dann erkundeten wir den Teil der Strandpromenade, den wir gestern
nicht geschafft hatten.
Auf dem Rückweg tranken wir im Kvata Kurna noch ein Bier. Im Hotel konnten wir zwar
etwas besser schlafen, aber ab fünf Uhr morgens herrschte starker Autoverkehr in der
Fußgängerzone.
Di. 15.7.08 (40 km)
Heute war das Frühstück mächtig abgespeckt, Straßengäste, die hier frühstücken wollten,
warfen einen Blick darauf und gingen lieber wieder. Nun, wir wurden satt, danach
versuchten wir, unser Zimmer gegen ein rückwärtiges zu tauschen, zumal das Hotel
nicht einmal halb voll war. Wir wurden vertröstet, so machten wir einen weiteren
Hafenrundgang und fanden diesmal auch die Adler-Linie nach Ahlbeck.
Der Zimmertausch wurde verweigert, es gäbe viele Reservierungen. Wir telefonierten
mit unserem Reiseveranstalter, der versprach, sich darum zu kümmern.
Nun schwangen wir uns aufs Rad, zunächst nur bis zur Fähre, danach auf den R10 durch
den Wald nach Misdroje. Dieser Radweg war so ziemlich genau das Gegenteil vom
Oder-Neiße-Radweg, zwar rundherum auch Natur pur, aber der Waldweg war auch Natur pur,
d. h. wir blieben alle Nase lang im Sand stecken und mussten schieben. Dazu kam, dass,
wenn man anhielt, man sofort von einem Schwarm riesiger Stechmücken überfallen
wurde. Ständige Zeckenwarnungen taten ein übriges. Kurz vor Misdroje war Angelika
klar, dass sie diesen Weg auf keinen Fall zurück fahren wolle, zumal hier auch noch
schwere Laster durch den Wald kurvten.
Misdroje war auch eine einzige Enttäuschung: völlig überfüllt, man sah nichts von den
Schönheiten des Ortes und auf der Seebrücke war ein Fußgängerstau. Auf der Seebrücke
war auch Fahrkartenverkauf für die Adler-Linie, doch schon draußen hing ein Schild:
heute keine Karten mehr.
Als wir missmutig die Seebrücke auf und ab wandelten, klingelte unser Handy: Herrn
Kunath war es zwar auch nicht gelungen, unser Zimmer zu tauschen, dafür bot er uns einen
Umzug in die Residenz "Waldoase" in Ahlbeck an. Hocherfreut stimmten wir zu, den
Umzug würden wir schon organisiert kriegen.
Da wir inzwischen Hunger bekommen hatten, wollten wir noch schnell ein Fischbrötchen
essen, doch in ganz Misdroje fanden wir keins oder entdecken es aufgrund des Rummels
nicht. Döner gab es dagegen an jeder Ecke. So guckten wir noch schnell die Handabdrücke
polnischer Schauspieler an und machten uns auf den Rückweg entlang der vielbefahrenen
Europastraße 65 nach Swinemünde. Einen Radweg gibt es an dieser Straße zwar nicht, aber
einen durch eine durchgezogene Linie getrennten Randstreifen, auf dem außer uns auch
noch ein paar andere Radfahrer fuhren.
In Swinemünde war unser Hunger so groß, dass wir vor dem Packen erst zum gegenüber
liegenden Bäcker gingen. Und siehe da: innen war sogar eine Konditorei mit leckerem
Kuchen. Interressanterweise wurde der Kuchen nach Gewicht bezahlt, so wurden wir
auch richtig satt. Dann wurde gepackt, ein Taxi fürs Gepäck gerufen und wir fuhren
mit den Rädern ein letztes Mal über die Grenze zwischen Swinemünde und Ahlbeck,
vorher ergänzte Geli aber noch auf dem Polenmarkt ihre "Garderobe".
Die Waldoase ist das erste Haus von Ahlbeck – von Osten aus gesehen, sehr
ruhig im Wald gelegen und in der ersten Reihe (von vorn und von hinten), mit eigenem
Strandzugang. Wir bekamen ein sehr gutes Zimmer, in dem wir uns kurz erholten.
Als Höhepunkt zum Wechselbad dieses Tages mit gutem Ausgang fuhren wir zur Seebrücke,
um auf ihr in dem schönen Restaurant zu essen. Kurz vor sechs Uhr bekamen
wir sogar noch einen Fensterplatz mit Blick auf die Anlegebrücke. Und das Essen (Matjes
und Zander) war auch immer noch so gut und preiswert wie früher.
Beim Spaziergang auf der Strandpromenade waren vor der Konzertmuschel Vorbereitungen
für eine Tanzvorführung im Gange (Deutsche Tanzkompanie: "Carmina Burana"). Wir
bekamen sehr gute Plätze und schauten uns die Aufführung begeistert an.
Zehn Minuten nach Ende rief unser Reiseleiter an und vergewisserte sich, dass alles
gut geklappt hatte. Wir flanierten noch ein wenig und kehrten dann vor dem Italiener
im Ahlbecker Hof auf ein Bierchen ein. Hier lachten wir herzlich über die
unkoordinierten Kellner: Geli bestellte ein zweites Bier, was prompt kam. Eine Minute
später kam von der anderen Seite ein zweites, richtig losprusten mussten wir jedoch,
als von der selben Seite auch noch ein dritter Kellner mit einem Bier ankam.
In der Waldoase konnten wir sehr ruhig schlafen.
Mi. 16.7.08 (12 km)
Das Frühstück in der Waldoase war ein Gedicht: nicht nur dass es zum ersten Mal seit
langer Zeit wieder frische Brötchen gab, frisches und getrocknetes Obst, Müsli in der
besten Form, Rührei mit Speck und viele Bioerzeugnisse bestimmten das Bild. Man wollte
gar nicht aufhören, zumal zwei nette Berliner bei uns am Tisch saßen – und es
draußen regnete. Den Rest des Regens warteten wir mit einer Zeitung an der Rezeption
ab, dann hörte es auf. Wir gingen zu Fuß über Ahlbeck nach Heringsdorf, wo es an
einem richtigen Bahnhof DB-Fahrkarten gibt.
Beim Rückweg über die Strandpromenade kehrten wir in einem Imbiss-Restaurant ein,
um leckere Fischbrötchen zu essen und einen Schauer auszusitzen.
Am frühen Abend ging's wieder mit dem Rad nach Ahlbeck, wir guckten zuerst auf die
Speisekarte der Brasserie des Ahlbecker Hofs, entschieden uns dann aber doch für
die "Meereswelle", ein großes Restaurant mit Anklängen von DDR-Charme und hervorragendem
Fischangebot. Und: in den vielen Speiseräumen war kurz vor sechs Uhr kein freier Tisch
mehr zu bekommen. Doch der Wirt redete uns zu, uns irgendwo dazu zu setzen, was wir
auch taten. Heute aßen wir Wels und Zander.
Auf dem Rückweg spielte in der Konzertmuschel ein riesiges Akkordeon-Orchester (mit Gesang), der Rest des Konzerts wurde kurz duch einen Regenschauer unterbrochen. In unserem Hotel war heute Grillfest mit Live-Musik, das war noch in vollem Gange, aber drinnen wg. des Wetters. Wir ließen die Räder einschließen und konnten auch die letzte Nacht auf Usedom gut schlafen.
Do. 17.7.08
Noch ein letztes Mal genossen wir das tolle Frühstück, denn unser Zug fuhr erst kurz
nach elf Uhr. Wir gaben Fahrradschlüssel und Gepäcktaschen an der Rezepton ab und
machten uns, weil es immer noch so früh war, zu Fuß auf den Weg zum Ahlbecker
UBB-Bahnhof. Unterwegs erwischte uns der obligatorische Schauer und kurz vor dem
Bahnhof mussten wir noch eine schreckliche Holperstrecke mit unserem Rollgepäck
überwinden, dann saßen wir in der modernen UBB.
In Koserow kreiste uns eine Schulklasse ein, doch nach dem Umstieg in Züssow saßen
wir wieder komfortabel im Obergeschoss eines Doppelstockwagens. In Berlin kamen wir
erstmals im neuen modernen Hauptbahnhof an, und zwar ganz unten, unsere S-Bahn fuhr
jedoch ganz oben weiter, so dass wir ihn komplett besichtigen konnten. Am Savigny-Platz
stiegen wir aus und gingen zu Fuß über die Goethe- zur Schillerstraße (Pension Brinn).
Die nette Wirtin hatte wie angekündigt für die erste Nacht nur das Zimmer mit
externer Dusche und WC frei, bot uns aber für morgen einen Umzug in das beste Zimmer
an.
Wir ruhten kurz, konnten es aber eigentlich kaum erwarten, unseren Studienkollegen
nach über 30 Jahren endlich wiederzusehen. In ihrer schönen Dachgeschosswohnung
suchten wir ihn und seine Lebensgefährtin auf, erkannten uns auch sofort wieder und
plauderten über alte Zeiten. Zum Essen gingen wir dann ins San Marino am Savigny-Platz,
wo auch am Abend noch Komplett-Menüs angeboten wurden.
Dabei hatten wir uns so
angeregt unterhalten, dass es plötzlich 23 Uhr war, dabei wollten die beiden morgen
in Urlaub fahren.
Unglücklicherweise wurde ausgerechnet in dieser Nacht eine Baustelle in dieser
ansonsten ruhigen Straße mit Material beliefert (zwischen 3 und 4 Uhr).
Fr. 18.7.08
So schliefen wir morgens etwas länger und bekamen auch ein sehr gutes Frühstück (mit
Zeitung). Draußen regnete es etwas.
Am Savigny-Platz kauften wir uns dann eine Tagesfahrkarte für eine einzige Fahrt –
mit einer Linie, die es nicht gab, zu einer Haltestelle, die es nicht gab. Dies war
uns per Telefon und Fax von Medusa mitgeteilt worden, ein Musterbeispiel heutiger
Kommunikation. Den Rest des Tages wurde nämlich mit dem Auto (bzw. Ruderboot)
gefahren.
(Dichterin) Medusas Wohnsitz fanden wir trotzdem aufgund ihrer Adresse, tranken
einen grünen Tee,
bestaunten das Olympia-Stadion, das man von ihrem Balkon sehen kann, sowie ihr tolles
Stevens-Rad. Dann holten wir Dichter Thomas vom Westkreuz ab: ein 38jähriger vom Lande
(Potsdam) kann ja nicht so gut umsteigen. Die Gruppe war nun schon ziemlich lustig,
doch jetzt wurde der beste Unterhalter abgeholt: Günter, ein 87jähriger Technikfreak
aus Moabit. Zusammen fuhr uns Medusa nun zum Tegeler See, wo ein weiterer Dichter
(Dietrich) eine Datsche auf der Insel Maienwerder hatte. Medusa hatte Geli zu Ehren
ein richtiges Dichtertreffen organisiert.
Zur Insel gab es auch eine Fähre, die unser 87jähriger vielleicht etwas leichter
hätte entern können, doch da noch 50 Minuten Wartezeit waren, stiegen wir alle fünf
zu Dietrich ins Ruderboot. Unter einem Baum direkt am Wasser wurde eine Kaffeetafel
gedeckt, selten haben wir so idyllisch Kaffee getrunken.
Dietrich musste noch zwei
weitere Dichterinnen herüber rudern, eine davon war extra aus Frankfurt/Oder angereist.
Zum Abendessen zogen wir uns in das Häuschen zurück und der Kaminofen wurde angeheizt.
Zwischendurch wurde ständig gedichtet oder darüber gesprochen, es wurde ein sehr
lustiger und geistreicher Abend.
Im Dunkeln musste uns Dietrich schließlich zurück rudern, kurz danach begann es zu
regnen und es folgte noch eine abenteuerliche Autofahrt durch die
(ziemlich unbeleuchtete) Stadt. In unserem schönen Zimmer konnten wir sehr ruhig
mit offenem Fenster schlafen.
Sa. 19.7.08
Gemütlich gefrühstückt (die vier Damen tranken bereits Sekt) und mit Gepäck zum
Savigny-Platz marschiert, von dort mit der S-Bahn zum neuen Hauptbahnhof. Diesmal ging
es auf der gleichen Ebene in unseren IC, so dass wir nur eine Ebene tiefer durch
die Unterführung mussten. Aber wir kannten ja bereits alle vier Ebenen. Der Zug
kam pünktlich, aber der Bahnsteig war brechend voll, so gab es eine kleine Verspätung.
Da das Fahrradabteil neben unseren Sitzen lag, konnten wir uns überzeugen, dass
tatsächlich alle Fahrradplätze belegt waren. Ich glaube, es hat bis Hannover gedauert,
bis sie ihre Räder sortiert hatten. Wir konnten unbeschwert
auf zwei nebeneinander liegenden
Sitzen Platz nehmen, weil ein freundlicher junger Mann mit meinem Einzelsitz im
übernächsten Wagen tauschte.
Ruckzuck waren wir in Hannover und erst in der Heimat-S-Bahn nach Paderborn packten
wir unser mitgenommenes Brötchen aus. Voll pünktlich kam der Zug auch in Paderborn
an, so dass wir unseren Bus nach Elsen noch lässig gekriegt hätten. Doch was klappt
schon auf Anhieb in Paderborn: am Kasseler Tor blieb der Zug einfach stehen, ließ die
Sennebahn vor und wartete noch weitere fünf Minuten. Natürlich war der Bus weg. Der
einzige Vorteil war, dass nun in Ruhe Kuchen gekauft werden konnte. Dass jetzt
noch ein Gewitterschauer kam, den wir sonst schon in Ruhe zu Hause ausgesessen hätten,
war weniger schön. Wg. Eröffnung der Paragon-Arena wurden sämtliche Zufahrtsstraßen
neu gemacht, so dass der Bus direkt nach Elsen fuhr und wir noch den Schirm aufspannen
mussten.
Fazit:
Der Oder-Neiße-Radweg ist vielleicht der schönste Radweg,
den wir bisher kennengelernt haben: Natur pur und schöne Städte, dazu die
einwandfreie Oberfläche und Ausschilderung des Radwegs. Die Karte (bikeline) braucht
man nur für die Sehenswürdigkeiten, weniger zur Orientierung. Das Wetter hätte
besser sein können, doch die Lausitzer mussten schließlich die große Trockenheit vom
Frühsommer ausgleichen.