Steinhuder Meer: vom Irrgarten zum Biergarten – Juni 2008

Eine selbstorganisierte Radtour mit Zugan- und abreise, übernachtet wurde in einem Hotel in Steinhude ("Alter Winkel")

Biergarten Alter Winkel

o Teilnehmer: Susanne, Reinhard, Michaela und Otto, Angelika und Claus

o Vorbereitung:
Voriges Jahr war das Steinhuder Meer unser erster Übernachtungsplatz mit Schmittis Wohnmobil auf dem Weg nach Norwegen. Spontan beschlossen wir damals, das Meer abends noch mit dem Rad zu umrunden. Es wurde ein mittleres Disaster: am weitest entfernten Punkt, also genau gegenüber, begann es zu gallern und hörte auch nicht wieder auf. So konnten wir weder die Tour genießen noch irgendwas anschauen. Also mussten wir noch mal her, denn dass es hier ausgesprochen schön war, hatten wir schon festgestellt.
Unterkunft zu bekommen war überraschenderweise überhaupt kein Problem, obwohl wir aus verschiedenen Gründen erst am ersten Wochenende der Sommerferien fahren konnten. Und die Unterkunft ("Alter Winkel") war richtig gut: mit Biergarten hinter dem Haus direkt am Meer.
Vera konnte wg. des Geburtstags ihrer Mutter nicht mitfahren, Hans-Günter wg. eines Trauerfalls, ansonsten waren wir in Stammbesetzung. Bahnfahrkarten wurden uns ab Paderborn verkauft, obwohl der Zug erst ab Altenbeken fuhr. Bahnfahren ist halt das letzte Abenteuer in Deutschland.
Die Radroute wurde ausgearbeitet anhand des Aldi-Kartensets "19 regionale Radtouren-Karten 1:100000", die sich jedoch in dieser Region als nicht sehr brauchbar erwies. Daher wurde vor Ort noch eine (wasserfeste) Karte vom Steinhuder Meer erworben, die allerdings auch nicht hundertprozentig stimmte.

o Do. 26.6.08 (66 km)
Zugabfahrt war 9:15 Uhr am Paderborner Hauptbahnhof. Da ich jedoch die Zeit vergessen hatte, wollte ich sie morgens noch mal im WWW checken. Und siehe da, der Zug wurde gar nicht aufgeführt. So schwante uns bereits Böses, als wir mit dem Rad zum Bahnhof fuhren. Bus-Ersatzverkehr nützt Radfahrern wenig, wenn der Bus keine Räder mitnimmt. Ab Altenbeken fuhr unsere S-Bahn jedoch wie immer, so entschlossen wir uns, nach dorthin mit dem Rad zu fahren. Angelika hatte noch die gute Idee, dass Johannes, der Susanne mit dem Auto gebracht hatte, unser Gepäck dorthin bringen könnte. Und Susanne fuhr im Auto mit, um in Altenbeken unser Gepäck zu bewachen. Mit Rückenwind und leichten Rädern schafften wir auch genau den eine Stunde später (als geplant) von Altenbeken abgehenden Zug zu erreichen (genau genommen waren wir drei Minuten zu früh). Im Zug bekamen wir auch zwei freie Sitzgruppen, so ging es entspannt bis Hannover.

Großer Garten Herrenhausen

Vom Bahnhof in Hannover schoben wir unsere Räder durch die Fußgängerzone bis zum Alten Rathaus, ein Gebäude in filigraner Backsteingotik. Die nebenan liegende Marktkirche drehte uns leider den Hintern zu, so dass wir uns gleich auf den Weg zu den Herrenhäuser Gärten machten. Dazu fährt man zuerst duch den langgezogenen (2 km) Georgengarten mit einem runden Tempel auf einer Halbinsel. Die netten Damen an der Information passten auf unser Gepäck auf, so gingen wir unbeschwert in den "Großen Garten". Erster Höhepunkt war die von Niki de Saint Phalle künstlerisch gestaltete Grotte.

Grotte Herrenhäuser Gärten

Kunstwerk in der Grotte Die Grotte bietet selbst auch einen guten Aussichtspunkt, jetzt spürten wir die heutige Hitze auch so richtig und manches lange Beinkleid fiel. Weiter ging's durch kleinere und größere Gartenteile zum Irrgarten. Nachdem auch der letzte das Zentrum gefunden hatte, entstand hier das obligatorische Gruppenfoto. Weitere besondere Punkte waren das Gartentheater und das Galeriegebäude, ein kleines Schlösschen. Leider werden die Garten-Fontänen nur zu bestimmten Zeiten angestellt, jetzt waren sie aus.
Nach Ende der Besichtigung ging es endlich richtig auf die Räder. Entlang des Außengrabens des Großen Gartens fuhren wir Richtung Leine, überquerten diese über ein gewaltiges Sperrwerk und befanden uns dann wie gewünscht auf dem Leine-Radweg. Es folgte ein sehr schönes Stück links und rechts entlang der Leine, bevor man in Letter noch einmal durch die Stadt gelenkt wird. Dahinter ging es wieder richtig schön ins Leinetal, der Mittellandkanal wurde unterquert, auf einer langen Geraden wurden viele Kilometer gewonnen. Kurz vor der Autobahn wich die Beschilderung leider von der Karte ab. Der eigentlich schöne "Blaue See" mit Campingplatz litt unter schrecklichem Autobahnlärm – und wir nahmen auf Empfehlung des Wirtes einen Radweg an der Straße bis Ricklingen.
Inzwischen gelüstete es uns schon deutlich nach einem Gartenlokal, doch die einzige Kneipe in Ricklingen hatte noch zu und auch im folgenden Bordenau war kein offenes Lokal zu finden. So schwand unsere Stimmung, den Umweg über Neustadt am Rübenberge zu machen, und wir fuhren direkt auf Steionhude zu. Und in Poggenhagen war uns das Glück hold: kurz vor einer Bahnschranke war ein Lokal mit einem schönen Garten. Und die Wirtin öffnete für uns auch ein paar Minuten früher (als 17 Uhr). Eine Runde großer Apfelschorlen machte aus uns wieder normale Menschen und die letzten Kilometer wurden frisch in Angriff genommen. Leider war der abzweigende Radweg wieder falsch (nach Neustadt a. R.) ausgeschildert, so fuhren wir an der langgezogenen Hauptstraße nach Steinhude rein. Den "Alten Winkel" zu finden war nicht weiter schwierig, wir bezogen die Zimmer (Susanne und Reinhard Apartement), duschten und trafen uns im Biergarten hinter dem Haus direkt am Meer.

Biergarten Alter Winkel

Ete-Hus Steinhude Nach dem ersten alkoholischen Getränk (Berliner Weiße und Weizenbier) knurrte auch der Magen, Susanne hatte bereits für die Speisekarte unseres Hauses ihr Okay gegeben. Also nahmen wir im Gartenlokal des "Alten Winkels" Platz und probierten verschiedene Fischsorten, darunter auch Jägerschnitzel. Zum Zahlen war es bereits zu spät, denn nun begann das zweite Halbfinale der EM zwischen Spanien und Russland. In unserem eigenen Biergarten war nur ein kleiner Fernseher, so nahmen wir die Empfehlung unseres Wirts wahr und suchten das Ete-Hus auf. Ein fast leerer Tisch mit bester Aussicht auf einen größeren Flachbildfernseher wurde in letzter Sekunde besetzt und das glatte 3:0 der Spanier atemlos verfolgt.
Nach dem Spiel waren in Steinhude bereits die Bürgersteige hochgeklappt und wir fielen in unsere Betten. Es wurde eine wunderbar ruhige Nacht.

o Fr. 27.6.08 (35 km)
Nachts hatte es offensichtlich geregnet und die Temperaturen lagen auch deutlich niedriger. Auch während des langgezogenen sehr guten Frühstücks ging noch der eine oder andere Schauer nieder, doch Radio Sachsen-Anhalt (mit ansonsten schrecklicher Volksmusik) versprach Wetterbesserung, vor allem für den Nachmittag. Nach dem Frühstück war es zwar trocken, doch vor der Seeumrundung machten wir erst einen ausgedehnten Spaziergang durch Steinhude und erwarben dabei eine (wasserdichte) Karte vom Steinhuder Meer und Umgebung.

Tisch im Gartenlokal

Es blieb trocken, so stand unserer Radtour rund um den See nichts mehr im Wege. Selbst die Fahrradsättel waren wieder trocken. Wir verließen Steinhude Richtung Südwesten, genau dem immer stärker aufkommenden Wind entgegen. Bevor wir am Hagenburger Kanal Richtung Hagenburg vom See wegbogen, bot ein Aussichts- und Anlegesteg eine gute Aussicht auf die hier am nächsten liegende Meeresinsel Festung Wilhelmstein.

Festung Wilhelmstein

Der Graf zu Schaumburg-Lippe, dem auch die Festung gehört, ließ uns leider das Schloss Hagenburg nicht besichtigen, doch der Radweg führte durch den stark bewaldeten Schlosspark. Dahinter kamen wir wieder auf freie Flächen, auf denen der Sturm uns das Vorwärtskommen noch einmal richtig schwer machte, bevor wir ihm den Rücken kehren konnten.
Auch auf der Westseite des Sees ist ein schöner Aussichtsturm. Dorthin gelangt man nur zu Fuß, doch ein ausreichend großer Fahrradparkplatz ist vorhanden. Auf dem Weg zum Turm liegen zwei Vogelbeobachtungsstationen, auch der Turm selbst ist als Beobachtungsstation ausgelegt, um die Natur nicht unnötig zu stören.

Sturmschäden am Westufer

Am Aussichtsturm am Westufer

Bei der Weiterfahrt drohte es zweimal loszuschauern, doch die Feuchtigkeit hielt sich in Grenzen, die Regensachen wurden unnötig herausgeholt. Nun waren wir schon auf der Mardorfer Seite, Mardorfs Ortskern liegt etwas vom See entfernt, doch Hafen und Gastronomie ist auch direkt am See vorhanden. An der zweiten Fischbrötchen-Bude hielten wir an. Während wir leckere Matjes- und Backfischbrötchen verspeisten, wurde vor uns eine Yacht per Kran zu Wasser gelassen, dabei ließ sich die Sonne immer öfter blicken (ohne dass der Wind nachließ). An der nächsten Düne konnten wir Wind- und Drachensurfer bewundern, bevor das schönste Stück der Seeumrundung anbrach, der Weg durchs "Tote Moor". Teilweise wurde der Radweg hier auf Holzstegen über den trügerischen Untergrund geführt, außerdem gab es zwei Moorerlebnisstationen mit Holzstegen und Aussichtsturm.
Als wir die nordöstliche Ecke des Sees umrundet hatten, lud uns ein weiterer Aussichtsturm auf der Ostseite des Sees ein. Der Fußweg dorthin war komplett aus Holzstegen gebaut und auf dem Turm entlud sich der ganze Sturm, der quer über den See genügend Anlauf genommen hatte. Erstaunlich wie stark der umgebende Wald den Sturm auf dem Steg abbremsen kann, da merkt man fast nichts, sondern hört ihn nur noch in den Baumkronen.

Holzsteg zum Aussichtsturm

Anschließend rollten wir von Nordosten wieder nach Steinhude hinein, ein Abstecher nach Neustadt a. R. wurde ein zweites Mal abgeblasen (im Sinne dieses Wortes). Es war bereits späte Kaffeetrinkenszeit. Und bei "Godewindt" fanden wir noch ein windfreies, sonniges Plätzchen. Beim Schlürfen fiel uns ein sonderbares Pärchen auf, beide schrill als Bauern verkleidet, er mit Holzschuhen (Klompen), sie mit einer überdimensionierten Brille, die alle Leute ansprachen. U. a. prüften sie meine Oberarmmuskeln auf Feldarbeit-Verträglichkeit, doch dabei fiel ich durch.
Zwischen Kaffeetrinken und Abendessen wurde noch ein kurzer Rundgang eingeschoben. Bei dem jetzt nachlassenden Sturm liefen eine Reihe von Seglern aus dem Yachthafen aus. Essen war heute angesagt im dem Alten Winkel gegenüberliegenden Edel-Imbiss "Kuckuck" – natürlich ein Fischrestaurant. Und als wir so aus dem Fenster auf den "Alten Winkel" schauten, fiel uns auf, dass die Inhaberin ebenfalls eine geborene Kuckuck war. Nun, der Fisch war sehr gut, doch das Lokal war natürlich nicht übergemütlich, so dass ein weiterer Spaziergang angesagt war. Und in der Graf-Wilhelm (-zu-Schaumburg-Lippe) -Straße in einem weiteren Fischrestaurant war jetzt wieder das Pärchen aktiv, dass wir vorhin vom Cafe aus beobachtet hatten: mit einer mittelgroßen Gruppe (Kegelclub?) spulten sie ein lustiges Animierprogramm ab, so z. B. "schade, schade, jammer-jammer-schade" oder "Lüttje-Lage" trinken. Interessanterweise war auch hier die Wirtin eine geborene Kuckuck.

geborene Kuckuck

Die nächste Sehenswürdigkeit war das "Scheunenviertel", die an einem dreieckigen Platz zwei Kanten belegen.

Scheunenviertel Steinhude

Nun wurde es dringend Zeit für ein gemütliches Bierchen, da bot sich wiederum das schöne "Ete-Hus" an. Gestern hatten wir gehört, dass oben der Nichtraucherteil sei, so ging's erst mal nach oben, doch dort waren wir fast die einzigen Gäste, während es unten brechend voll war. Auf den nicht besonders bequemen Sitzen tauschten wir mehrfach hin und her, ansonsten war es ein sehr lustiger Abend. Den Absacker nahmen wir noch unten im Stehen ein. Wie gestern war im Ort bereits längst Ruhe eingekehrt und wir konnten wieder wunderbar schlafen.

Im Ete-Hus

o Sa. 28.6.08 (59 km)
Wieder hatte es nachts etwas geregnet und auch beim Frühstück gab es einen Schauer. Doch unser ausgedehntes Frühstück überdauerte diesen und wir konnten im Trockenen die Räder beladen. Sehr schön mitten durch Steinhude ging es aus dem Ort heraus, jetzt auf einer alten stillgelegten Landstraße. Rechts von uns kam der "Kalimandscharo" immer näher, während wir auf einer sehr angenehmen Strecke (teilweise durch den Wald) auf Wunstorf zurollten. Von Wunstorf selbst sieht man nicht viel, weil man auf einem schönen Radweg entlang der Westaue durch den Ort geführt wird. Schließlich unterquerten wir die Bahnstrecke, die wir so schnell auch nicht wieder verlassen sollten. Hinter Wunstorf machten wir die erste Rast, ständig begleitet von vorbeidonnernden Güterzügen. Bei der Autobahnunterquerung kamen wir an den Mittellandkanal, was sich sofort auf Ottos Fahrstil auswirkte ("Kanalmatador"). Beim Überqueren der Bahn bei Gümmer fuhren wir einen kleinen Umweg und auch am Ortsende war keine der eingezeichneten Routen entlang der Bahn zu entdecken, zudem verletzte sich Susanne noch leicht beim Suchen der Strecke. Nun, an der Kreisstraße nach Lohnde gab es einen Radweg, und in Lohnde ging es über eine Leinebrücke wieder in die Natur. Nicht weit nördlich von Lohnde stießen wir wieder auf den Radweg, den wir bei der Hinfahrt genommen hatten, aber diesmal schon hinter der Stelle, an der wir uns bei der Hinfahrt verfahren hatten (Blauer See). Es folgte das schöne Leinestück (mit einem Mini-Schauer), die Ortsdurchfahrt durch Letter sowie das letzte schöne Stück enlang Leine und Leinekanal. Über das Sperrwerk bogen wir wieder zu den Herrenhäuser Gärten und hatten das große Glück, durch die Hecken und Tore einige sprudelnde Fontänen zu sehen.

Galeriegebäude Großer Garten

Der Radweg von den Gärten in die Innenstadt war gut ausgeschildert, irgendwann ist man mitten in der Fußgängerzone und muss schieben. Dafür wurden wir auch mit einem Blasmusik-Konzert empfangen – und man konnte den Bahnhof bereits sehen.
Wir konnten tatsächlich den Zug eine Stunde früher als geplant nehmen und vorher auch noch in aller Ruhe das "Gosch" (Sylt) suchen, um unsere letzten Fischgelüste zu stillen. Die S-Bahn (Gleis 1) kam pünktlich und wir standen auch richtig vor dem vorderen Bereich des Zugs, der von Hameln weiterfährt. Platzmäßig sah es im Zug zunächst nicht so gut aus, doch die Lage entspannte sich zusehends und ab Extertal saßen wir allein in zwei Vierergruppen. Da es hin und wieder immer noch Schauer gab, legten wir fest, falls es in Atenbeken regnete, zuerst noch in der berühmten Bahnhofsgaststätte einzukehren. Vor Altenbeken handelte sich der Zug durch Schrittempo noch über 10 Minuten Verspätung ein, die Wolken waren bedrohlich, doch leider regnete es nicht. Andererseits waren wir froh, gleich losfahren zu können, denn die Zugtoilette war mal wieder defekt. Susanne wurde von Johannes in Altenbeken abgeholt.
Bergab, aber mit Gegenwind rollten wir durch das Beketal sowie dann quer durch die Natur Richtung Talle in Schloß Neuhaus. Otto und Michaela verabschiedeten sich zuerst und dann Reinhard in Elsen. Den Tisch für die Abschlussfeier im "Piccola Posta" hatte ich sicherheitshalber bereits am Mittwoch bestellt. Zusammen mit den nicht mitgeradelten Johannes, Hans-Günter und Gisela hatten wir dort eine kulinarisch großartige Abschlussfeier in gemütlichem Ambiente.

Eck-Tempel Großer Garten

o Fazit:
Die steigungsfreie (wenn auch nicht ganz windfreie) Tour ohne große Kilometerfresserei wurde von allen Teilnehmern begrüßt. So blieb viel Zeit, die Sehenswürdigkeiten von Hannover, den Leine-Radweg und die vielen Aussichtspunkte rund ums Steinhuder Meer zu genießen. Natürlich trug auch die Vorfreude auf das Finale der EM (u. a. mit deutscher Beteiligung) zur guten Stimmung bei.
Das gastliche Steinhuder Meer mit dem schönen Rundweg sowie die ausgesprochen angenehme Aus- und Einfahrt von Hannover durch Parks und entlang der Leine waren die Höhepunkte der Tour.


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