Bei dieser Fahrt handelte es sich um eine selbstorganisierte Genußradtour mit Zugan- und -abreise und Unterkunft in Hotel, Pension oder Privatzimmer.
Teilnehmer: Michaela, Otto, Susanne, Vera, Reinhard, Angelika und Claus
Vorbereitung:
Fuldaradweg oder Wellness-Route, das war noch drei Wochen vorher die große Frage.
"Fahrt man Fuldaradweg, da ist es wunderschön!" so entschied Ulrike in ihrer
zupackenden Art unser Ziel. Doch wer fährt mit? Die Vorbesprechung verlief chaotisch:
Michaela wußte gar nicht, worum es ging, schloß aber ein Mitkommen von vornherein
aus und brachte auch Otto gar nicht mit. Den riefen wir aber noch an und mit
Terminkalender in der Hand verkündete er: "Am Freitag muß ich unbedingt noch
arbeiten!" Zum Glück war in Schloß Neuhaus am Fronleichnamswochenende Schützenfest
und somit schulfrei, so konnten wir den Montag dranhängen. Mit Angelika und
Susanne waren wir immerhin schon vier; einen Tag darauf schlossen sich auch noch
Vera und Reinhard an, letzterer konnte aber auf keinen Fall am Montag. So waren
wir fünfeinhalb!
Als diese fünfeinhalb endlich fest standen, war in Melsungen (erster Übernachtungsort)
fast kein Zimmer mehr zu bekommen, später stellte sich auch heraus, warum.
Bei der dritten und vierten Wahl gab es dann
noch einzelne Zimmer, so daß wir verteilt gerade noch unterkamen.
Selbst in Hann. Münden für die Nacht von Sonntag auf Montag wurde es schwierig, doch
bei der dritten Wahl im "Letzten Heller" klappte es noch – und diese Wahl sollte
sich später als Glücksgriff erweisen.
Als ich die Fahrtroute und die Übernachtungsstätten den anderen zumailte, meldete
sich Reinhard, der nun doch am Montag Urlaub bekommen könnte. Wenn es im "Letzten
Heller" noch ein Bett gab, waren wir sechs!
Drei Tage vor dem Losfahren war Michaela mit dem Korrigieren nahezu fertig und
konnte (und wollte) auch noch mitradeln, da waren wir sieben!
Mit Zustellbett und zweimaligem Nachbestellen im "Letzten Heller" brauchte auch
keiner unter der Brücke zu pennen.
Sa. 5.6.99 (44 km)
9:36 Uhr war Zugabfahrt in Paderborn, alle kamen pünktlich und Susanne saß schon
im Zug. Das einzige Problem war, daß wir ein Wochendticket für Sonntag, den 6.6.
hatten, aber das bemerkte nicht einmal der freundliche Schaffner. Nachdem wir
auf der Fahrt zum Bahnhof schon das erste Mal naß geworden waren, half endlich
das vielfache Daumendrücken und es blieb trocken (vorerst). Beim Umsteigen in
Warburg zeigte sich, daß wir bereits ein eingespieltes Team waren. Auch in
Kassel ("My Home is my Kassel") war es noch trocken, so daß wir die vorgesehene
Fahrt (und Wanderung) auf die Wilhelmshöhe antreten konnten. Kurz unterhalb
des Schlosses stellten wir die Räder ab und gingen zu Fuß duch das Schloß und
den anschließenden wunderschönen Park steil bergauf in Richtung Herkules.
Natürliche Kaskaden, Rotunden, Ruinen, geschwungene Brücken und ein Wald mit
300 Baumarten bilden den Teil vom Schloß bis unter den Herkules. Hier steigt
man an künstlichen Kaskaden entlang auf Treppen dem Herkules entgegen, der lässig
oben auf der Spitze lümmelt – so als ginge ihn das alles gar nichts an. Die
einmalige Aussicht von hier oben (500 m hoch) endete im hinteren Teil der
Stadt, weil es dort schon wieder am Gallern war.
Leider
werden die Kaskaden nur an Sonn- und Feiertagen geflutet, doch bereits während
des Abstiegs wurden sie durch die Himmelsschleusen geflutet, was uns erst einmal
unter einen der schönen Bäume zwang. Doch ein Baum hält nicht ewig (trocken)
und so rollten wir wieder hinab zum Bahnhof, wo wir ganz begallert ankamen
(Susanne: "Wie sollen wir das je wieder trocken kriegen?").
Wie gemütlich kann doch ein Bahnhof sein! Der Zug fuhr uns dann durch das
romantische Fuldatal, das wir beradeln wollten. In Melsungen konnten wir
vom Zug aus bereits das Gasthaus Ellenberger sehen, in dem die meisten von uns
heute Nacht schlafen würden. Im schönen Rotenburg war das Ziel der Zugfahrt
erreicht, wir schwangen uns jedoch nicht gleich aufs Rad, sondern erholten uns
von den bisherigen Strapazen in einem italienischen Eiscafe (Erdbeerbecher-Saison).
Dann die gemütliche Stadtrundfahrt zum Schloß und durch die Altstadt, bevor
es endgültig hinaus in die Natur entlang der Fulda ging. Und Natur ist hier
ein wirklich zutreffender Begriff, ein Naturschutzgebiet reihte sich an das
andere, Lehrpfade und Beobachtungsstationen waren mehrfach vorhanden.
Inzwischen war auch die Sonne herausgekommen und die ersten kurzen Hosen
waren zu bestaunen.
Mehrfach überquert auch der Radweg die Fulda, in Altenmorschen ist noch das
Kloster Heydau zu erwähnen, in Neumorschen die Marktstraße.
Aber die Sehenswürdigkeiten muß man nicht suchen, der Fuldaradweg wird immer genau dort lang geführt. Zwischen Binsförth und Beiseförth (Abfahrt: Dagobertshausen) überquert man einen Berg mit 12 % Gefälle, von Obermelsungen wird man auf der Uferpromenade in das Herz der Fachwerkstadt Melsungen hineingeführt. Über die "Bartenwetzerbrücke"
gelangten wir zum Gasthaus Ellenberger, Angelika und ich fuhren zurück zum "Haus
Pfeiffer" (mit drei f), was sich als absolute Bergtour entpuppte. Das Haus war
Luftlinie zwar nur 100 m von der Fulda entfernt, aber diese Luftlinie stand nahezu
senkrecht!
Auf der Rückfahrt zum Treffen in der Altstadt hatten wir ein schreckliches
Erlebnis mit einem einheimischen Autofahrer (Geländewagenfahrer). Nachdem er
sich an einer Ampel mit gemeinsamer Geradeaus- und Linksabbieger wohl etwas
behindert fühlte ("Sollte man in den Arsch treten!"), lauerte er uns unbemerkt
direkt vor der Fußgängerzone (Radfahren erlaubt) mit seinem Auto auf und schoß
damit knapp vor unsere den Berg hinabrollenden Räder. Nur dank herzhaft
zupackender Magura-Bremsen konnte ein Unfall vermieden werden. Dann zeigte er,
was er an Schimpfwörtern so alles drauf hatte. Neben ihm saß sein etwa 12jähriger
Sohn, was soll aus diesem armen Jungen nur werden?
Zu Fuß erkundeten wir dann die Altstadt, bis unser Magen seine Ansprüche
geltend machte. Nachdem kein Lokal allen zusagte, einigten wir uns auf die
Unterkunft Ellenberger, die auch ein ansprechendes Restaurant mit Hessischer
Küche ("Schmandschnitzel") besitzt. Mit "Löwenbräu" ließen wir den Abend
ausklingen ... bis auf die Bergtour unter Sternen für Angelika und mich.
So. 6.6.99 (70 km)
Nach einer ruhigen Nacht zeigte der erste Blick aus dem Fenster, daß es regnete.
So drehten wir uns nochmal um. Ein ausgezeichnetes Frühstück – am Tisch serviert –
entschädigte uns für diesen Anblick. Ein weiterer Gast war hier zu einem
Großfamilien-Treffen (80 Leute, der weiteste aus Pennsylvania), deshalb war in
Melsungen kaum eine Unterkunft zu bekommen.
Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen und wir traten die Abfahrt an. Ohne
behelligt zu werden kamen wir diesmal bis zu den anderen, die bereits auch in den
Startlöchern standen. Über die Bartenwetzerbrücke gelangten wir wieder auf den
Fuldaradweg.
Nachdem wir einige Kilometer auf einer nahezu autofreien Kreisstraße
zurückgelegt hatten, begann in Grebenau wieder ein Abenteuer: laut Karte teilt
sich hier der Radweg auf einen, der um die Fuldaschleife herumführt, und einen,
der entlang einer Landstraße abkürzt. Ausgeschildert war aber nur der kurze Teil;
wir aber wollten lieber den romantischen Weg fahren. Entgegen der Beschilderung
fuhren wir also aus dem Ort heraus, trafen dabei noch ein anderes Radlerpärchen,
das wir schon am Vortag mehrfach getroffen hatten. Sie hatten ganz merkwürdige
Informationen: die eingezeichnete Brücke sei noch im Bau und nicht befahrbar, man
müsse auf eine ganz andere Strecke ausweichen. Hier zeigt sich wieder einmal,
daß Einheimische, die selber kein Rad fahren, sich oft schlechter auskennen als
Radler mit gutem Kartenmaterial. Eine im Bau befindliche Brücke gab es tatsächlich,
doch da wollten wir gar nicht rüber, und unsere eigentliche Brücke war schon alt
und gut (schmal). Doch das Stück zwischen den beiden Brücken hatte es in sich:
an der engsten Stelle der Schleife, am sogenannten Prallhang, verlief der Radweg
als matschiger Feldweg im Wald hoch über der Fulda. Rechts ging es nahezu senkrecht
runter und links war tiefe Matsche, nur auf der Kante war ein 0 bis 50 cm breiter
einigermaßen befahrbarer Streifen. Je nach Temperament und Schwindelfreiheit wurde
dieser benutzt oder durch die Matsche geschoben.
Auf der anderen Seite der Schleife war es dann erstmal Zeit für eine ausgiebige
Rast, inzwischen war auch die Sonne herausgekommen und lange Hosen fielen (z. T.).
In der ganzen Gegend ist man etwas Autobahn-geschädigt, man sieht sie nicht, aber
hört sie (bei Westwind) recht kräftig. Hinter Guxhagen auf einer Anhöhe schaute
der Herkules über die Kante. Romantische Fuldaauen mit frisch geschorenen Schafen,
dahinter die Fabriktürme des VW-Werks in Baunatal, bildeten die Kulisse für den
schönen Fuldaradweg.
Mit einer Bergwertung wird die Fuldaschleife bei Berghausen
abgekürzt, danach wird der Großstadtcharakter deutlich spürbar.
Auf einer Sonnenterrasse zwischen Fulda und Park "Karlsaue" genehmigen wir uns
Getränke, Waldpilzsuppe Hubertus und Cappuccino. Als wir vor dem Schloß Orangerie
auf und ab flanieren, droht eine dunkele Wolke; "Kasseler Wetter", denken wir.
Kurz hinter
Kassel ist die Wolke tatsächlich wie weggeblasen und strahlender Sonnenschein liegt
über der nächsten Sensation: die aus dem Wald kommende Landstraße L3235 ist für
den Autoverkehr gesperrt, dafür bevölkern Hunderte von Radlern dieselbe. Als nach
zwei Kilometern eine weitere Straßensperre folgt, denken wir, jetzt ist der Spaß zu
Ende, doch jetzt geht's erst richtig los. Am Hotel "Roter Kater + Graue Katze"
genießen wir (und Hunderte andere) die Aussicht auf Spiekershausen. Nach vier
weiteren autofreien Kilometern geht es auf die B3, ich sehe mich schon nach dem
Radweg um. Doch wieder irren wir uns, die gesamte B3 bis Hann. Münden ist heute
für den Autoverkehr gesperrt. Das erklärt uns ein freundlicher Mann am
Informationsstand des ADFC Kassel, und es handele sich hierbei um das "Sattelfest".
Und für diese Sensation waren wir genau zurecht gekommen! Wir überlegten noch,
ob wir uns den Preis für die am weitesten angereisten Teilnehmer abholen sollten,
doch dann entschieden wir uns einfach für das Genießen dieser unvergeßlichen
Tatsache, zusammen mit etwa 100000 anderen Radlern auf der gut ausgebauten B3
im strahlenden Sonnenschein dahin zu rollen.
Bis nach Hann. Münden hinein ging der Spaß, doch jetzt wollten wir erst einmal zu
unserer Unterkunft, dem "Letzten Heller" im Werratal. Auf dem kürzesten Weg
(entlang der Bundesstraße) ritten wir die vier Kilometer bis zu dem einsam und
halb im Wald gelegenen Restaurant mit Gästehaus. Nach Zimmerbezug und Ameisenjagd
trafen wir uns draußen, um nach Hann. Münden zurückzufahren. Doch Michaela war
eingeschlafen, so probierten wir an einem sonnigen Tisch vor dem Restaurant erst
einmal das einheimische Bier. Ein Blick auf die Speisekarte verriet, daß man im
"Letzten Heller" hervorragend speisen kann, etwas problematisch war nur, die
Hann.-Münden-Besichtigung und das Speisen zeitlich auf die Reihe zu bringen. Nach dem
ersten Bier stellte jemand die Frage, ob wir überhaupt noch nach Hann. Münden
müßten. Doch einige Besichtigungswillige äußerten Unmut. Als ich jedoch die
Bemerkung fallen ließ, daß wir morgen früh sowieso durch Hann. Münden kämen,
bestellte Otto sofort die zweite Runde und die Sache war entschieden.
Beim dritten Bier war auch Michaela wieder wach und freute sich über unsere weise
Entscheidung. Wir nahmen unseren reservierten Tisch ein: das Essen war ein Gedicht!
Besonders die aktuelle Spargelkarte hatte es uns angetan, aber auch Vorspeisen
und Nachtisch hatten einen Michelin-Stern verdient. Zu allem Überfluß ging
wahrend des Essens draußen ein Gewitterschauer nieder, was unsere Entscheidung
auch noch nachträglich rechtfertigte. Daß das Essen im "Letzten Heller" teurer
wurde als die Übernachtung (ähnlich wie in der "Blauen
Ecke" in Adenau) hat
letztendlich keinen großen Geist gestört. Klar daß wir als letzte (von vielen)
Gästen das Restaurant verließen, schließlich hatten wir den kürzesten Weg ins Bett.
Mo. 7.6.99 (65 km)
Strahlender Sonnenschein weckte uns!
Und wieder wurde alles am Tisch serviert! Eine gute Stunde frühstückten wir, bis wir
das meiste geschafft hatten. Dann verabschiedeten wir uns von unseren netten
Gastgebern, fuhren noch einen knappen Kilometer flußaufwärts, um dann auf einem
schönen Stück Werraradweg nach Hann. Münden zu rollen. Direkt beim Welfenschloß,
das sich auch wieder als Raubritterburg (Finanzamt) erwies, kommt man in die
herrliche Altstadt, vorher fuhren wir aber noch an die Stelle, wo Werra und
Fulda sich küssen: zum Weserstein. Um das schöne Rathaus war gerade eine Baustelle,
aber man kann nicht alles haben. Ein Fachwerkhaus schöner als das andere, dazu am
südlichen Rand die Rotunde. Auch einen Blick auf die Tillyschanze erhaschten wir.
Über die historische Werrabrücke verließen wir die Altstadt und genossen vom Rand
der Bundesstraße aus noch einmal den besten Ausblick auf den Zusammenfluß von
Werra und Fulda.
Num waren wir auf dem Weserradweg, tief eingeschnitten die Weser zwischen den
Wesergebirgen. Die Hoffnung, die erste Rast im berühmten "Fährhaus" von Hemeln
zu verbringen, erhielt einen kleinen Dämpfer, den es hatte montags Ruhetag. Rasten
konnten wir trotzdem auf der Sonnenterrasse und der Fähre (ohne Motor) zuschauen,
nur bestellen konnten wir nichts.
Das taten wir aber dann in Bursfelde in der
"Klostermühle", das eine sehr angenehme Speisekarte (auch vegetarisches – sowie eine
spezielle Matjeskarte) bot. Inzwischen hatte sich auch ein gewisser Mittagshunger
eingestellt. Dazu gab es Paulaner Dunkel oder Radeberger Pilsener; die ersten
Gäste flüchteten aus der Sonne in den Schatten und bei uns fielen die letzten
langen Hosen – bis auf eine zwecks OSSK.
Den Eisnachtisch verschoben wir bis zu unserem Zielort Bad Karlshafen. Vorher
war aber noch das steilste Stück der Strecke zu bewältigen, eine angeblich
25%ige Steigung ("Radfahrer absteigen!") im Wald zwischen Bodenfelde und
Bad Karlshafen. Oben standen zum Glück zwei Bänke zum Abdampfen. In Bad Karlshafen
direkt an der klassizistisch angelegten Hafenanlage fanden wir dann die
entsprechende Eisdiele mit schattigen Plätzen unter Lauben. In einem der
Hauptgebäude am Hafen kann man die komplette geplante Stadt- und Hafenanlage als
Modell besichtigen. Oberhalb der Stadt thront der Hugenottenturm und ein kleines
Schlößchen über der Stadt.
Dann mußten wir zum Bahnhof, d. h. Bahnhof ist schwer übertrieben, Bahnsteig!
Fahrkarten sollte uns ein Automat verkaufen, der aber nur Münzen (und Geldkarte)
annahm. Zum Glück kam gerade der Gegenzug und auf dessen Tür stand: Fahrkarten
bitte beim Fahrer lösen. Unser Fahrer verneinte aber, daß er uns Fahrkarten
verkaufen könne, er habe nur Fahrkarten für die Reichweite seines Zuges. Wir mußten
aber in Ottbergen noch einmal umsteigen. Er riet uns in Ottbergen an den Schalter
zu gehen.
Doch in Ottbergen hatte der Schalter natürlich geschlossen und unsere drei
Minuten Umsteigezeit erlaubten auch kein weiteres Suchen. Der Fahrer unseres nächsten
Zuges gab uns die gleiche Auskunft über seinen Fahrkartenverkauf. Zum Glück (oder
Pech?) stieg irgendwann ein Kontrolleur zu, der uns endlich unser Geld abnahm und
uns die richtigen Fahrkarten aushändigte. Leider hatte sich auf der Zugfahrt in
die Schönwetterecke Deutschlands (Paderborner Raum) der Himmel zugezogen und
mit Ende dieser schönen Radreise war auch das schöne Wetter zu Ende.
Fazit: Auch das Fuldatal ist sehr zu empfehlen und eine ähnliche Genußreise
machen wir auch im nächsten Jahr!