Eine selbst organisierte, 400 km lange Radtour zu zweit mit Zugan- und -abreise und Unterkunft in Hotels
Teilnehmer: Karl-Georg und Claus
Vorbereitung:
Festlegen der Route und Tagesetappen anhand des Veloland-Routenführers Band
1 (Route 3), Fahrkarten kaufen, Reservierungen der Hotels und
Sachen packen. Das meiste davon erledigte Karl-Georg, obwohl es mein Traum
seit unserer großen Schweizrundfahrt 2001 war, einmal über diese spektakuläre
Route die Alpen zu überqueren. Aber meine Frau und ich waren ja kurz vorher
fünf Wochen in Nordamerika unterwegs ...
Do. 23.8.12 (35 km)
Um 7:15 Uhr ist es Ende August schon recht kühl in Deutschland. Karl-Georg stand bereit
und seine Frau begleitete uns noch bis an den Stadtrand von Paderborn. Am Bahnhof kam
unser Zug pünktlich, doch der Anschlusszug nach Köln war dies nicht, nur mit einem
Sprint erreichten wir noch den Eurocity nach Basel. Im Fahrradbereich waren bereits viele Räder
und in jedem Bahnhof stiegen auch Leute mit Rädern aus und ein, wobei es jedesmal ein
großes Hallo gab. Wir konnten uns kaum auf das schöne Rheintal konzentrieren, durch das der
Zug auf seiner kompletten Route fuhr. Von einem durch den Zug rollenden Kaffeeverkäufer
kaufte Karl-Georg ein Sandwich. Von dem konnte er die folgenden drei Tage sein Mittags-Lunch
bestreiten.
Als wir am Baseler SBB-Bahnhof ausstiegen, hatte sich die Temperatur total geändert:
es war sehr heiß und schon etwas schwül. Noch als wir im Bahnhof herumirrten, rief unsere
Verabredung für heute Abend an und hieß uns herzlich willkommen. Wir wollten uns
zunächst mit Schweizer Franken versorgen, was gar nicht so einfach war, denn nicht
jede Bankfiliale tauscht um. Dazu kommen noch kräftige Gebühren. Als das schließlich geschafft
war, suchten wir unser Hotel (Waldhaus) im Vorort Birsfelden auf. Mitten im Wald war
es natürlich sehr ruhig – das Internet ging aber nicht.
Um 19 Uhr radelten wir zu unseren Bekannten, die uns mit einem Aperitif und Lachsschnittchen
empfingen. Einer der beiden führte uns dann per Rad am Rhein und Stadtzentrum entlang
zu einem schönen Lokal mit Rheinblick, wo wir zusammen zu Abend aßen. Auffällig waren
unterwegs die vielen Schwimmer im Rhein, sogar von der historischen Rheinbrücke wurde
gesprungen.
Mitten beim Essen setzte plötzlich ein Gewitter ein und machte dem schönen und heißen Wetter auch hier ein Ende. Leicht bedröppelt radelten wir an späten Abend die gleiche Strecke zurück.
Fr. 24.8.12 (57 km)
In der Nacht hatte es aufgehört zu regnen, doch der Himmel war grau und es war deutlich kühler.
Das Frühstück bestand aus Marmelade und Käse, was uns ebenfalls wenig motivierte. Als wir
dann die Räder mit unseren Taschen bepackten, begann es wieder zu regnen: kein schöner
Tour-Anfang!
Die Tröpfelei (Starkregen war es zum Glück nicht) hörte auch nicht auf, so dass wir die
ganze Etappe in Regenjacke fuhren. Muttenz, Pratteln und Liestal waren die ersten Orte.
Liestal glänzte (im Regen) durch ein malerisches Stadtbild mit mittelalterlichem Stadttor
und bunt bemaltem Rathaus.
Hinter Gelterkinden wurden wir von einer nicht eingezeichneten starken Steigung
überrascht. Die nächsten (eingezeichneten) Steigungen über 10 % folgten vor und hinter Anwil,
zwei weitere folgten kurz darauf.
Zum Glück konnten wir aufgrund des Regens und der damit verbundenen schlechten Sicht
gar nicht sehen, was auf uns zukam.
Endlich – kurz vor Rohr – ging es bergab, und zwar genauso steil und mit scharfen
Serpentinen. Auch nach Stüsslingen ging es noch schön bergab und siehe da: jetzt hatte
auch das blöde Getröpfele aufgehört. Hinter Stüsslingen gab es noch einen kleinen Schotterpass
(unter 10 %), bevor wir in das Aare-Tal eintauchten. Hier fährt man ein kurzes Stück
gemeinsam mit der Mittelland-Route. Aarau war jetzt auch schon in
Sichtweite und wurde kurz danach erreicht. Aufgund des immer noch nicht befriedigenden Wetters
verschoben wir die Besichtigung der Innenstadt auf morgen und fuhren gleich durch zum Hotel
(Sternen) in einem östlichen Vorort. Während des Mittagsschlafs konnten unsere Klamotten
prima trocknen.
Im Restaurant des Hotels aßen wir dann draußen auf der Terrasse, denn die Temperatur war
durchaus angenehm. Zum Glück war die Terrasse überdacht, denn es gab noch mehrere kräftige
Schauer. Auch das hier für heute geplante Dorffest schien ins Wasser zufallen, nachts
hörte man aber doch viele Feiergeräusche.
Uns war das Dorffest jedoch egal, wir hatten etwas anders vor: gleich nach der Ankunft
hatten wir festgestellt, dass die Fernseher in unseren Zimmern auch ARD empfangen. Und
heute wurde die 50. Bundesligasaison mit dem Spiel Borussia Dortmund gegen Werder Bremen
eröffnet und in der ARD live übertragen. So saßen wir jeder mit einer Flasche Bier
bewaffnet zusammen auf Karl-Georgs Bett und verfolgten den knappen 2:1-Erfolg des
deutschen Meisters.
Sa. 25.8.12 (64 km)
Völlig perplex war ich, als Karl-Georg morgens vor der vereinbarten Frühstückszeit an meine
Tür klopfte. Das Frühstück war recht gut, beherrschend war jedoch,
dass das Hotel die Unterkunft eines großen
Trabi-Klubs war, der wohl hier ein Treffen veranstaltete. Das Wetter war für heute wechselhaft
angesagt, doch bereits beim Frühstück kam die Sonne raus.
Diesmal fanden wir auch einen sehr schönen Radweg in die Innenstadt, die sehr sehenswert ist
(Stadttore, bemalte Giebel, Rathaus, Brunnen). Dann begann die heutige Etappe richtig, Suhr,
Muhen und Schöftland waren die Orte, die durchfahren werden. Hinter Staffelbach hielten wir
zur ersten Rast, denn jetzt folgte eine längere unbefestigte Strecke direkt an der Suhre,
erst in Sursee, durch dessen schönes Zentrum man geführt wird, gab es wieder festen Untergrund.
Die Fahrt am Sempacher See war nicht so erquicklich, da man die ganze Zeit an einer
Schnellstraße entlang fährt und zudem das Seeufer auch gar nicht richtig sieht. In dem
Ort, nach dem der See benannt ist, war gerade ein Volksfest, bei dem heißen Wetter kam
es uns gerade recht, um etwas Kühles zu trinken. die schöne Hauptstraße mit dem Rathaus
war ziemlich mit Buden verbaut, so genossen wir vor allem die schönen Stadttore und
das Seeufer, das hier im Ort zugänglich war.
Direkt hinter Sempach trafen wir auf unsere einzige Steigung heute (unter 5 %),
ansonsten war die heutige Etappe sehr angenehm, auch wegen des guten Wetters. Bei
Emmen (kurz vor Luzern) kommt man in das hier flache Reußtal und fährt ab hier
ein längeres Stück gemeinsam mit der Seen-Route.
Die Fahrt von hier nach Luzern hinein ist sehr eindrucksvoll, direkt an der Reuß,
die tief eingeschnitten ist. Und vor der Innenstadt fällt der Blick auf die Museggmauer
mit vielen Türmen. In Luzern wartete eine Überraschung auf uns: das Gefängnis-Hotel,
ein kleines Museum, in dem die Zimmer noch wie Gefängniszellen aussehen mit soliden Türen,
die Klappen enthalten, und doppelt verfitterten Fenstern. Immerhin gab es
eine Dusche und frisch geduscht gingen wir über alle vier Luzerner Fußgängerbrücken
über die Reuß, zwei davon aus Holz, überdacht und mit Gemälden verziert.
Karl-Georg wollte dann auch noch über die Seebrücke (zum Luzerner See), obwohl
sich der Himmel inzwischen sehr dunkel zugezogen hatte. Als wir mitten drauf waren,
goss es los. Wir konnten uns gerade noch in den Bahnhof retten. Über eine Stunde
dauerte der Gewitterregen, so dass wir hier erst mal ein Bier trinken mussten. Danach
konnten wir aber trocken die Innenstadt besichtigen und wollten eigentlich draußen
essen. Doch alle Tische und Stühle waren nass, so gingen wir in ein gemütliches
italienisches Restaurant. Es war ein Glück, dass wir drinnen waren, denn der Starkregen
setzte sich jetzt fort. Und Karl-Georg hatte nicht mal eine Regenjacke mitgenommen.
Ein Sprint zum nahe gelegenen Gefängnis (-Hotel) sorgte trotzdem für feuchte Klamotten.
Später abends ließ der Regen endlich nach und wir machten noch (mit Regenjacke) einen
kleinen Spaziergang durch das schön beleuchtete Luzern. Zum Abschluss gab es zu unseren
Ehren noch ein kleines Feuerwerk.
So. 26.8.12 (52 km)
Heute Abend gab es im Fernsehen einen neuen "Tatort" aus Luzern und noch heute Morgen
waren wir in dieser schönen Stadt. Natürlich wurde der "Tatort" zu Hause aufgezeichnet.
Das Gefängnisfrühstück war der Lokalität angepasst und ging so. Auf der der Innenstadt
gegenüber liegenden Reußseite fährt man sehr schön aus der Stadt heraus, doch dann geht es gleich
bergan.
Da mein Vorderreifen heute morgen wenig Luft hatte, füllte ich an einer Tankstelle
etwas nach. An das Ufer des Vierwaldstätter Sees kommt man erst im Ort Kastanienbaum,
danach ging's immer dicht am Ufer entlang, teilweise sogar unter der Autobahn, bis
Stanstad. Hier überquert man zusammen mit Autobahn, Bahn und Straße einen Arm des
Vierwaldstätter Sees (Alpnacher See). Mit dieser Abkürzung verließen wir auch die
Seen-Route. In Stanstad verlässt auch die Nord-Süd-Route vorübergehend das Ufer,
doch dadurch kommt man durch den sehr schönen Ort Stans, den der Autobahnbenutzer
nicht sieht.
In einem breiten Tal gelangt man dann zurück zum Vierwaldstätter See bei Buochs. Von
hier ist es nicht mehr weit bis Niederdorf, ab hier überquert man mit einer Fähre den See.
Wie die Züge in der Schweiz kam auch die Fähre auf die Minute punktlich.
Wir nahmen auf der Aussichtsplattform der Fähre Platz und bestaunten eine riesige
Schweizer Flagge auf dem gegenüber liegenden Berghang. Die Fähre legt kurz vor
Gersau an, von hier aus führt eine enge Straße fast immer am Ufer des Sees entlang.
Im nächsten Ort (Brunnen) knickt der See ab und man hat eine wunderbare Aussicht auf den Hauptarm
des Vierwaldstätter Sees und den nach Süden verlaufenden Urner See. Auch alle
Linienschiffe des Sees legen hier an, so war immer etwas los. Wir kehrten am Anleger ein,
bevor wir uns auf das letzte Teilstück am östlichen Seeufer nach Flüelen über Sisikon
begaben. Teilweise fallen die Berge hier senkrecht in den See ab und die Straße wurde seinerzeit
für das Militär in den Felsen gehauen (viele Tunnel oder Halbtunnel). Hinter Sisikon geht der Radweg
nur noch selten an der Straße entlang, man ist bis kurz vor Flüelen auch recht hoch über dem
See. Auch an der geschichtsträchtigen Tellplatte (hier soll der Tellsprung stattgefunden haben)
kommt man hier vorbei. Nach Flüelen hinein hat man dann eine kleine Abfahrt, doch unser Hotel
(Tourist) lag gleich am Ortseingang.
Obwohl wir früh dran waren, konnten wir gleich in die Zimmer (anders als im Gefängnis). Nach einer Erholungspause machten wir einen Spaziergang in den Ort, in dem ebenfalls viel an Wilhelm Tell erinnert wurde. Abends aßen wir in unserem Hotel das Poulet im Körbli, das schon am Aushang des Hotels beworben wurde (sehr lecker). Hier in diesem Hotel gab es auch das erste funktionierende WLAN auf unserer Tour, das ich auch kräftig nutzte. Relativ früh war Bettruhe angesagt.
Mo. 27.8.12 (43 km)
Für heute und morgen war bestes Wetter angesagt und tatsächlich war nicht eine Wolke
am Himmel. So machte ich bereits vor dem Frühstück einige Aufnahmen von der tollen
Aussicht, die man vom Zimmerbalkon hatte. Als wir zu den Rädern kamen,
war bereits wieder wenig Luft in meinem Vorderrad, so versuchten wir zu
flicken. Doch trotz intensiver Suche und Schlauch unter Wasser halten war kein Löchlein
zu entdecken, so gab es in Flüelen in einer Autowerkstatt noch einmal kräftig Druck auf
den Reifen, außerdem sollte ein neuer Schlauch gekauft werden.
Dann startete die heutige Etappe mit dem Besuch des höchsten Tell-Denkmals der Schweiz
in Altdorf (7 m). Auch sonst ist Altdorf nett anzusehen. Die nächste Besichtigung stand
bei Erstfeld an: die Jagdmattkapelle – mit einem Hirschen, der ein Spruchband
im Geweih trägt. Hinter Erstfeld wird das Reußtal enger und steiler, teilweise
waren wir auch viele Meter höher als die Reuß. Eine besonders starke Steigung, dachten
wir zu dem Zeitpunkt, ist vor Gurtnellen, doch eigentlich ging es die ganze Zeit gut
bergan und nach Wassen ging es noch steiler hoch. Es geht aber noch steiler: nach
Göschenen hoch steigerte sich die Steigung. Kurz vor dem Ort verschwindet die
Autobahn im Tunnel und kommt erst nach dem St. Gotthard-Pass wieder raus. Direkt
neben der Einfahrt liegt der Teufelsstein, den dieser Herr aus Wut über die Teufelsbrücke
hier hin geschleudert haben soll.
Am Ortseingang von Göschenen werden Radfahrer darauf hingewiesen, dass die Strecke von
Göschenen nach Andermatt gefährlich sei und man besser die Eisenbahn benutze. Wir
kehrten im Ort erst mal ein und überlegten die Sache bei Kaffee und Kuchen (mit
herrlicher Aussicht auf einen Gletscher). Karl-Georg setzte sich dann in die Bahn
und ich wagte die Strecke mit dem Rad, es waren ja nur ca. 6 km bis Andermatt ...
Es waren dann wohl die aufregendsten sechs Kilometer meines Lebens und hin und wieder wünschte ich mir auch im Zug zu sitzen. Man muss auf der Straße fahren und die hat auch wirklich viel Verkehr. Dazu steigt die Straße auf den ersten fünf Kilometern um 350 Höhenmeter an, d. h. Serpentinen und Halbtunnel ohne Ende. Manchmal hatte man das Gefühl, sich senkrecht hoch zu arbeiten, denn schon befahrene Straßen lagen direkt unter einem selbst. Der einzige Vorteil (verkehrsmäßig) ist, dass die Straße immer recht breit ist, so dass Autos Radler problemlos passieren können. Belohnt wird der Radfahrer mit tollen Aussichten talwärts, auf die Häderlisbrücke und auf die Reuß, die sich hier über große Felsbrocken und Wasserfälle zu Tal stürzt. Wenn man fast ganz oben ist, passiert man auch noch die berühmte Teufelsbrücke.
Am Ortseingang von Andermatt wartete Karl-Georg schon auf mich und wir suchten unser nettes Hotel (Schweizerhof) auf. Nach einer Ruhepause brachen wir zum Stadtrundgang auf. Das Fahrradgeschäft Andermatts hat allerdings montags Ruhetag, so dass wir den Schlauchkauf auf morgen früh verschieben mussten. Zu besichtigen gibt es in diesem adretten Ort zwischen drei Pässen (Oberalp-, St. Gotthard- und Furka-Pass) die Kirche, das Rathaus und weitere nette Gebäude.
Di. 28.8.12 (54 km)
Nach dem Frühstück machten wir noch einen Umweg zum Fahrradgeschäft und kauften einen
Ersatzschlauch. Natürlich war heute morgen der Luftdruck noch gut, doch wir wollten
sicher gehen. Sicher war es dann auch, denn ab da hielt die Luft bestens und noch heute
fahre ich mit dem alten Schlauch umher.
Jetzt begann unsere Pass-Etappe richtig. Zunächst ging's nach Hospental, hier hatten
meine Frau und ich im "Rössli" zwischen Oberalp-
und Furkapass-Überquerung übernachtet.
Nach dem Ort gibt es einen Kreisel, an dem dich die drei Passstraßen teilen, wir
wählten St. Gotthard – und sofort ging es steil bergan.
Nach einer ersten
Gebirgskette fährt man lange im Gotthard-Reuß-Tal entlang, doch die ganze Zeit mit
gefühlter 10 %-Steigung. In der Mitte gibt es noch einmal eine große Doppelserpentine,
um Höhe zu gewinnen. Etwa einen Kilometer weiter teilt sich die alte Passtraße von
der neuen ab, der Radweg führt auf der alten Passtraße entlang. Ab hier hatten wir
fast gar nichts mehr mit motorisiertem Verkehr zu tun, auch davor war er noch gering.
Das lag sicherlich auch an der noch frühen Tageszeit.
Ab der Teilung lieferten wir uns ein Wettrennen mit einer Wandergruppe, die öfter
abkürzen konnte und hin und wieder unsere Straße kreuzte. Es muss auch erwähnt
werden, dass die alte Passtraße Kopfsteinpflaster hat, was das Fahren nicht gerade
erleichtert. Dazu kam ein kräftiger Südwind, der je nach Streckenverlauf (also meistens)
von vorn blies.
Doch schon vor High Noon war die Passhöhe erreicht (direkt vor der Wandergruppe). Es wurden viele Erinnerungsfotos geschossen, bevor wir uns in die aufregende Abfahrt stürzten. Wir blieben auf der alten Passtraße, die auf der Passhöhe kurzzeitig neben der neuen verläuft, danach aber wieder völlig unabhängig ist. Sie führt über das Val Tremola (Tal des Zitterns) und verliert mit 37 Haarnadelkurven bis Airolo fast 1000 Höhenmeter. Tal des Zitterns ist sehr treffend, denn die Straße ist auch hier Kopfstein-gepflastert und lässt kein hohes Tempo zu. Uns störte das jedoch nicht sehr, denn wir hielten fast in jeder Serpentine an, um den aufregenden Straßenverlauf in dieser eindrucksvollen Landschaft zu bestaunen und zu fotografieren.
Kurz vor Airola waren die Kurven schon mal geteert, dazwischen aber immer wieder
Kopfsteinpflaster. Nach einer schönen Ortsdurchfahrt ging es immer noch kräftig bergab,
vor Faido gab es sogar noch einmal Serpentinen. In Faido kamen wir an einem netten
Café vorbei, vor dem wir uns mit Kaffee und Kuchen belohnten.
Ein ganzes Stück vor Lavorgo kann man vom Radweg zur Straße abbiegen, um den kleinen
Ort nicht zu verpassen. Das Hotel (Defanti) hat einen netten familiären Charakter, auch
das WLAN funktionierte einwandfrei. Natürlich aßen wir auch hier
zu Abend, auf unseren Wunsch sogar
in der Gaststube. Der folgende Verdauungsspaziergang zeigte, dass hier nicht viel
anzugucken war, aber zufrieden und müde fielen wir früh ins Bett.
Mi. 29.8.12 (42 km)
Ein kühler Morgen! Das hier noch enge und steile Ticino-Tal (Leventina) ließ uns schnell weitere
Höhenmeter verlieren, immer wieder auch mit Serpentinen.
Außer der kleinen Straße, dem Fluss und dem Radweg verläuft natürlich
auch die Gotthard-Autobahn durch dieses Tal, allerdings meist hoch über uns. Am imposantesten
ist der Biaschina-Viadukt, der seit 1982 das Tal überspannt.
In Giornico stand die erste Besichtigung an: die Kapelle San Nicolao aus dem 12. Jahrhundert,
ein eindrucksvoller Bau aus fugenlosen Granitsteinen.
Bei Biasca wird das Ticino-Tal breiter und knickt nach Südwesten ab. An einem eingezäunten
Flugplatz machten wir unsere Mittagsrast, inzwischen war es auch wieder richtig heiß
geworden. Dann waren wir schon bald in den Vororten von Bellinzona: Castione und Gorduno.
Hier ist die Streckenführung etwas umständlich. In Bellinzona hielten wir uns Richtung
Bahnhof und fanden auch schnell unser Hotel (San Giovanni), das einfachste auf
unserer Tour mit Toilette und Dusche auf dem Gang. Dafür hatte es ein nettes Café
mit Außenterrasse (Aussicht auf Palmen), wo wir nach einer Ruhepause einen prima Capuccino
bekamen.
Dann brachen wir auf zur Stadtbesichtigung, erster Höhepunkt im wahrsten Sinne des Wortes
war das Castel Grande, das sich mächtig auf einem Felsen mitten in der Stadt erhebt. Doch
dann kam die Überraschung: kein mühsamer Aufstieg, sondern ein kostenloser Lift beförderte
uns von unten nach oben. Über diese Burg führt auch die Stadtmauer (Murata), die
ursprünglich vom Ticino bis zur zweiten Burg Castello di Montebello ging. Und dies
war keine einfache Mauer, sondern wie die chinesische Mauer mit zwei Zinnenreihen
und einem breiten Mittelgang, darunter ein Tunnelgang, angelegt.
Zurück unten in der Stadt gingen wir durch nette Gassen zum Rathaus. Im schönen
Arkadeninnenhof war alles für eine Hochzeit gerichtet, vor dem Rathaus das Hochzeitsauto,
ein knallroter Ferrari.
Das Teatro Sociale war geschlossen, dafür besichtigten wir noch die Hauptkirche San
Pietro e Stefano. Direkt neben der Kirche begann der Fußweg zur zweiten Burg und heute
waren wir ja noch fit. Es ist klar, dass Castello di Montebello nicht ebenerdig liegt.
Jetzt war es aber Zeit einzukehren, im zweiten Anlauf fanden wir ein schönes
italienisches Restaurant mit einer riesigen Terrasse, auf der erst ein Tisch besetzt
war. Wir ließen uns davon nicht abhalten – und das war gut so. Zwei Stunden
später waren fast alle Tische besetzt. Hier geht man schon italienisch-spät essen.
An einem der schönsten Tische mit Aussicht auf Castel Grande hielten wir es lange aus.
Ein abschließender Rundgang durch die Stadt mit Blick auf die drei angestrahlten
Burgen (möglichst alle drei hintereinander) wurde jäh von einsetzendem Regen
abgebrochen. Wir eilten zum Hotel zurück, denn Regenkleidung hatte heute keiner mit.
Im Hotel war es noch südländisch heiß, so dass alles schnell trocknete.
Do. 30.8.12 (65 km)
Nachts hatte es wieder aufgehört zu regnen. In dem einfachen Hotel gab es auch nur
einfaches Frühstück. Danach fuhren wir erst mal zum nahegelegenen Bahnhof, denn wir
hatten ja Zugfahrkarten für die Rückfahrt erst ab Basel. Im Internet hatte ich
bereits eine Verbindung herausgesucht in einem ICC von Lugano nach Basel, Fahrpreis
41 SFr. Es klappte auch alles, auch die drei vorhandenen Fahrradplätze im Zug waren
noch frei, es kostete nur pro Person 82 SFr. 41 wäre der Preis für Halbtax, das ist
wohl so etwas ähnliches wie Bahncard 50. Dazu kamen Fahrradkarten für je 20 SFr und
die Fahrradreservierung von je 4 SFr. Unsere Zugfahrt durch die Schweiz kostete also
genauso viel wie die Zugan- und -abreise nach/von Basel in Deutschland zusammen.
Ermäßigungen (außer Halbtaxkarte) gibt es in der Schweiz nicht. Dass sie Zugreise
trotzdem ihr Geld wert war, zeigte sich am übernächsten Tag doch noch.
Wir hatten uns von dem Schrecken noch nicht richtig erholt, da begann es auch noch zu
regnen. Und wenn es in den Bergen regnet, hört es auch so schnell nicht wieder
auf. Wir zogen also Regenjacken über und fuhren aus Bellinzona heraus im flachen
Ticino-Delta vor dem Lago Maggiore. Doch wir wollten nicht zu diesem See, sondern zum
Luganer See. Leider fehlte an einer entscheidenden Stelle ein Schild, so dass wir
auch noch einen (kleinen) Umweg fuhren.
Zwischen Lago Maggiore und Luganer See ist der Monte Ceneri zu überwinden und der
hatte es in sich, zumal man bergauf auch noch auf der einigermaßen stark befahrenen
Straße (im Regen) fahren musste. Es gibt zwei große Serpentinen und je höher wir
kamen desto stärker regnete es. Irgendwann hatten wir es aber geschafft, danach
ging es auf einem Radweg durch viele Dörfer wieder bergab. Als der Radweg durch
ein Sägewerk geführt wurde und völlig vermatscht war, streikten wir und fuhren auf
einer wenig befahrenen Straße weiter bis Lamone. Hier bogen wir wieder auf die
Nord-Süd-Route, die auf der Deichkrone eines kleinen begradigten Flusses bis
an die Nordspitze des Luganer Sees führt. Da es weiterhin tröpfelte und hier
ein Campingplatz mit einem trockenen Restaurant lag, entschlossen wir uns, hier
ein Mittags-Menü zu essen. Es war auch nicht schlecht und durchaus preiswert,
doch der Regen hatte nicht aufgehört.
Jetzt radelten wir eigentlich ganz nett am Ufer des Luganer Sees auf einer
kleinen Straße entlang, doch der Regen und die trübe Aussicht nahmen dem Ganzen
den Glanz. Bei Morcote macht der See einen Knick nach Nordosten und hat hier
ein besonders steiles Ufer. Praktisch oberhalb des Sees (408 Stufen) liegt hier
die Kirche S. Maria del Sasso. Von dabei gelegenen Friedhof genießen sogar
die Toten eine imposante Aussicht.
Fr. 31.8.12 (0 km)
Nach der unruhigen Nacht wurden wir durch ein sehr gutes Frühstück versöhnt. Es regnete allerdings immer noch, wir
sehnten uns bereits nach der Schönwetterecke Deutschlands (Paderborn). So gingen wir erst mal schräg über
die Straße zum Bahnhof, verifizierten den Zug, konnten aber merkwürdigerweise noch keine Fahrkarten für morgen
früh bekommen. Aber Ansichtskarten gab es jede Menge – und jetzt hörte auch endlich der Regen auf.
Nun war Gelegenheit, die Sehenswürdigkeiten von Riva San Vitale noch einmal bei Sonnenschein zu besuchen:
das Seeufer, die Basilica Santa Croce, das Baptisterium aus dem 5. Jahrhundert und das Rathaus.
Sa. 1.9.12 (6 km)
Dadurch dass ich mir so viele Sorgen machte, waren wir wenigstens rechtzeitig beim Frühstück. Nun ging es ans
Bezahlen: die Dame an der Rezeption verstand kein Deutsch, trotzdem gelang das gewünschte Teilbezahlen völlig
problemlos, also ganz umsonst Sorgen gemacht.
Riva San Vitale verabschiedete uns mit leichtem Nieselregen.
Unser letztes Schweizer Geld reichte genau noch für die ersten Fahrkarten (alle anderen hatten
wir ja bereits). Inzwischen hatte ich auch heraus
bekommen, warum wir die gestern noch nicht erwerben konnten: just heute wurden die Fahrpreise erhöht! Pünktlich
kam unser Regionalzug nach Lugano und pünktlich konnten wir auch dort in den ICC nach Basel umsteigen. Die
Zugfahrt führte überwiegend an unserer Radroute entlang, so konnten wir das Ganze noch einmal aus
einer anderen Perspektive betrachten. Über Bellinzona ging es das Ticino-Tal hinauf bis zum St. Gotthard (Tunnel
im obersten Abschnitt). Und eine weitere Überraschung: bis unter St. Gotthard-Höhe war frischer
Neuschnee gefallen. So hätte die Passüberquerung sicher keinen Spaß gemacht!
Hinter dem St. Gotthard folgte eine weitere Attraktion: die Bahnschleife bei Wassen. Der Zug kommt weit
oberhalb von Wassen im Reußtal an, fährt dann im Berg eine Schleife und kommt flussaufwärts aus dem Berg
wieder heraus. Im Reußtal gibt es dann noch eine 180°-Kurve und man kommt unterhalb des Ortes noch einmal
an Wassen vorbei. Gut beobachten kann man das an der exponierten Kirche von Wassen, die man dreimal sieht:
von hoch oben, von oben und von unten.
Bis Basel regnete es immer wieder, doch in Deutschland sollte schönes Wetter sein. Bei dem über einstündigen
Aufenthalt nutzten wir die Gelegenheit zu einem Lunch, in Basel kann man auch schon mit Euro bezahlen.
Tatsächlich besserte sich in der oberrheinischen Tiefebene das Wetter, so erlebten wir den schönsten
Rheinabschnitt zwischen Bingen und Bonn bei strahlendem Sonnenschein.
Fazit:
Eine Traumroute! Entlang des Vierwaldstätter Sees und
über den St. Gotthard, schöner geht es einfach nicht!
Man sollte die Steigungen allerdings nicht unterschätzen, nicht nur der Pass ist steil,
dazu kommen nämlich eine Gebirgsüberquerung zwischen Basel und Aarau, das Erreichen der Höhe
von Andermatt (1450 m) im oberen Reußtal sowie das Überwinden des Monte Ceneri zwischen
Lago Maggiore und Luganer See.
Eine überwiegend guter Beschilderung sorgte nur für einen einzigen Verfahrer hinter Bellinzona.
Und die Sache mit den dicken
Bettdecken hat sich auch etwas gebessert, es kommt aber immer noch vor ...